Z Orthop Unfall 2016; 154(03): 231
DOI: 10.1055/s-0036-1584853
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zweizeitige Wechsel einer Endoprothese – Ein Erfolgskonzept bei periprothetischer Infektion?

Contributor(s):
Ingmar Rinas
Gomez MM, Tan TL, Manrique J et al.
The Fate of Spacers in the Treatment of Periprosthetic Joint Infection.

Journal of Bone & Joint Surgery Am 2015;
97: 1495-1502
Further Information

Publication History

Publication Date:
28 June 2016 (online)

 

Der zweizeitige Wechsel einer Endoprothese gilt bei nachgewiesener periprothetischer Infektion als Goldstandard. Dennoch ist sie eine besondere Herausforderung im klinischen Alltag. Ziel vorliegender Studie war es, retrospektiv den Therapieerfolg mit dieser Konzeption zu untersuchen.
Gomez MM, Tan TL, Manrique J et al. The Fate of Spacers in the Treatment of Periprosthetic Joint Infection Journal of Bone & Joint Surgery Am 2015; 97: 1495–1502

Material und Methoden

Der Untersuchungszeitraum betrug 14 Jahre von 1999–2013. Insgesamt wurden 32 417 Patienten während dieser Periode mit einer Hüft- oder Knieendoprothese versorgt. Insgesamt traten 647 (1,9 %) Infektionen auf. Fälle, bei denen es sich um einen Infekt bei modularer Revisionsendoprothese handelte, wurden von der Untersuchung ausgeschlossen. Weitere Ausschlusskriterien waren eine vorangegangene septische Arthritis, ein früherer zweizeitiger Wechsel oder fehlgeschlagener einzeitiger Wechsel der Endoprothese. Insgesamt wurden 143 Patienten ausgeschlossen. Bei den verbleibenden 504 Patienten wurden 326 Knie- und 178 Hüfttotalendoprothesen implantiert. Ausgewertet wurden Keimart, Komorbiditäten, Revisionen und Reimplantationen. In der Mehrzahl der Fälle (72,4 %) wurden statische Spacer verwandt, wobei sich der Anteil dynamischer Spacer bis zum Jahre 2013 auf 26,9 % steigerte. Alle verwendeten Spacer enthielten zumindest Vancomycin (99 %). Der Anteil der Spacer, die mindestens 2 Antibiotika enthielten, betrug 97,6 %. Die Reimplantation fand nach frühestens 4 Wochen statt. Der Zeitpunkt der Reimplantation wurde anhand klinischer Parameter festgelegt. Paraklinische Parameter wie CRP (C-reaktives Protein) und BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) hatten einen untergeordneten Stellenwert. Eine Abstrichentnahme / Punktion des Gelenkes vor Reimplantation stellte keinen Standard dar. Die durchschnittliche Dauer von Spacer-Implantation bis zur Reimplantation einer Prothese betrug 4,2 Monate.


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Ergebnisse

Der durchschnittliche Beobachtungszeitraum nach Spacer-Implantation betrug 56,2 Monate. Eine Reimplantation konnte bei 417 von 504 Fällen durchgeführt werden. 329 (78,9 %) von ihnen hatten ein minimales Follow-Up von 1 Jahr. Nach dieser Zeit waren 268 Patienten infektfrei. Bei 60 Patienten traten Reinfekte auf. In 60 Fällen musste der Interimsspacer erneut gewechselt werden. Ausschlaggebend hierfür war in 44 Fällen (73,3 %) eine persistierende Infektion. Lediglich bei 22,5 % blieb der Keim gleich, bei 77,5 % fand ein Keimwechsel statt. Bei 6 Patienten kam es zu einer Dislokation des Spacers und bei 9 Patienten waren Wundkomplikationen für eine Revision verantwortlich. Bei 87 Patienten fand keine Reimplantation einer Endoprothese unter Retention des Spacers statt. In letztgenannter Situation verstarb innerhalb von 38 Monaten die Hälfte der Patienten (n = 36). Bei Analyse der Keimspektren zeigte sich, dass bei immerhin 27 % der Patienten die mikrobiologischen Untersuchungen ohne Keimnachweis blieben. MRSA- oder MRGN wurden bei 15 % nachgewiesen. Komorbiditäten wie Rheuma oder der Nachweis von gramnegativen Bakterien als initialer Keimnachweis führten zu einer deutlichen Senkung der Reimplantationsrate, wohingegen ein Diabetes mellitus oder der Nachweis von initial antibiotikaresistenten Erregern für die Reimplantation der Prothese eine weniger ausschlaggebende Rolle spielten. Die Art des verwendeten Spacers war ohne Einfluss auf Reimplantationsrate oder Therapieerfolg. Auch die Art der endoprothetischen Versorgung als Hüft- oder Knie-Totalendoprothese hatte keinen wesentlichen Einfluss auf den Therapieerfolg. Die Mortalität betrug im ersten Jahr postoperativ 6,5 % und verdoppelte sich nahezu auf 10,3 % nach 2 Jahren.


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Diskussion

Lediglich 53,1 % der Patienten (n = 268) konnten in Einklang mit den in dieser Studie uneinheitlich gehandhabten Therapieprinzipien bei periprothetischer Infektion erfolgreich therapiert werden. Nahezu jeder fünfte Patient erlebte die Re-Implantation der definitiven Endoprothese erst gar nicht. Selbst bei initial erfolgreicher Implantation eines Spacers erwartete 12 % der Patienten eine relevante Komplikation.

Kommentar

Rund 390 000 Patienten werden jährlich in Deutschland mit einer Hüft- oder Kniegelenksendoprothese versorgt. Bei wachsenden Implantationszahlen wird es zunehmend wichtiger, eine suffiziente Therapiestrategie im Falle eines Protheseninfektes vorzuweisen. Gleichzeitig herrscht Uneinigkeit über Determinanten wie z. B. Spacer-Art, Reimplantationszeitpunkt, mikrobiologische Untersuchungsbefunde vor Reimplantation oder Wichtung von paraklinischen Parametern. Die weitverbreitete Auffassung, dass ein zweizeitiger Prothesenwechsel ein hochgradig erfolgreiches Konzept für die Infektbeherrschung sei, sollte überdacht werden. Vorliegende Daten beschreiben eine deutlich niedrigere Reimplantationsrate als vielfach angenommen. Es sei angemerkt, dass hier das Resultat eines innerhalb des langen Beobachtungszeitraumes inkonsistenten Therapieplans sichtbar wurde, der der heutigen Versorgungsrealität in Deutschland nicht uneingeschränkt entsprechen dürfte.


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