Laryngorhinootologie 2004; 83(10): 645-646
DOI: 10.1055/s-2004-825994
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Qualitätssicherung nach § 137 SGB V in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, quo vadis?

Quality Assurance After § 137 SGB V in Otorhinolaryngology, Quo Vadis?T.  Deitmer
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. Oktober 2004 (online)

Die Qualitätssicherung von operativen stationären Eingriffen in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde nach § 137 SBG V bezog sich bekanntermaßen bis Ende des Jahres 2003 auf die als Fallpauschale oder Sonderentgelt geleistete Nasenseptumkorrektur mit oder ohne Konchotomie und die Fallpauschale Tonsillektomie mit oder ohne Adenotomie. Die von den politischen Entscheidungsträgern gewollte Qualitätssicherung im stationären Bereich wurde auf diese beiden Bereiche zunächst abgestimmt und in den Jahren 2002 und 2003 durchgeführt. Die Zusammenstellung der zu erhebenden Punkte in dem Fragebogen erfolgte durch die Fachgruppe HNO bei der Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung in Düsseldorf. Diese Fachgruppe setzt sich aus Fachärzten für HNO-Heilkunde aus Praxen, Kliniken und seitens des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse zusammen (siehe auch: www.bqs-online.de).

Vom Gesetzgeber war der politische Wille geäußert worden, dass in jedem operativen Fach ein gewisser Anteil an Operationen im Sinne des § 137 SGB V qualitätsgesichert wird. Die Fachgruppe HNO ist für die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung dahingehend aktiv geworden, dass sie diesem politischen Willen nachgekommen ist, indem die Nasenscheidewandoperation mit Muschelmaßnahmen und die Tonsillektomie evtl. mit Adenotomie dieser Qualitätssicherung als recht häufige und auf allen Versorgungsniveaus stattfindende Maßnahme der Qualitätssicherung geöffnet werden sollten. Außerdem sollte gerade bei diesen Eingriffen wegen der pauschalen Vergütung die Qualität der medizinischen Leistung überwacht werden. Um eine solche Qualitätssicherung darstellen zu können, wurde überlegt, mit welchen wenigen, einfachen, aber wichtigen Fragen der medizinische Ablauf so dargestellt werden kann, dass man Rückschlüsse auf die Qualität des Ablaufes ziehen kann.

T. Deitmer

Schon frühzeitig wurde klar, dass durch die Beobachtungsmöglichkeit nur während des stationären Aufenthaltes bei solchen Eingriffen alleine eine Erfassung des medizinischen Ablaufes (Prozessqualität) möglich ist, jedoch nicht die eigentliche Arzt und Patienten interessierende Ergebnisqualität erfasst werden kann. Das medizinisch-fachliche Ergebnis beider Eingriffe kann bekanntermaßen erst in der Regel nach Wochen bzw. Monaten daran bestimmt werden, ob der Patient durch die nicht zu trockene Nase gut Luft bekommt, respektive Racheninfektionen oder ähnliche Erkrankungen nicht mehr auftreten. Leider gibt die gesetzliche Struktur des § 137 SGB V derzeit nicht die Möglichkeit, dass wichtige Parameter der Ergebnisqualität eines solchen Eingriffes auch später erfasst werden können. Es musste jedoch versucht werden, dem gesetzgeberischen Wunsch nach Qualitätssicherung von gewissen Eingriffen in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde nachzukommen. Man realisierte dieses mit möglichst wenigen und möglichst sinnvollen Fragen, wobei auch Modifikationen an den Fragebögen vorgenommen wurden, die in der Regel das Ziel einer Verkürzung oder Vereinfachung des Dokumentationsprozesses hatten.

Die Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 137 SGB V werden von dem sog. Bundeskuratorium für Qualitätssicherung gesteuert. Das Bundeskuratorium Qualitätssicherung, welches sich aus Vertretern der Kostenträger, der Ärztekammern und des deutschen Pflegerates zusammensetzt, tagte im Sommer 2003 und hat beschlossen, zunächst die Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Nasenscheidewandoperation mit evtl. Muschelchirurgie und die für die Tonsillektomie mit evtl. Adenotomie ab dem 1. 1. 2004 einzustellen. Das geplante Modul für die Nasennebenhöhlenoperationen soll gleichfalls nicht aktiviert werden. Es ist zu vermuten, dass dieser Beschluss des Bundeskuratoriums mit Blick auf entstehende Kosten der Qualitätssicherung für die Kostenträger, mit Blick auf eine fachübergreifend zu sehende gesundheitspolitische Relevanz und auch mit Blick auf die Wichtigkeit einer Qualitätssicherung für die Patienten in dieser Form gefällt wurde.

Somit existiert derzeit für die HNO-Heilkunde keine organisierte Qualitätssicherung im Sinne des § 137 auf Bundesebene. Hieraus darf nicht geschlossen werden, dass sich die deutschen HNO-Ärzte gegen eine Qualitätssicherung aussprechen würden. Gerade für den mit seltenen, aber teilweise dramatischen Komplikationen behafteten Eingriff der Tonsillektomie ist eine Qualitätssicherung mit Verfolgung von Patientenverläufen auch nach der stationären Entlassung wichtig. Entscheidend für eine sinnvolle Qualitätssicherung im HNO-Bereich ist es neben der Prüfung einer Strukturqualität eben, dass auch langfristige Behandlungsergebnisse dargestellt werden und so an den Operateur zurückgespiegelt werden können. So kann eine gute und nachhaltig sinnvolle medizinische Versorgung erst wirklich entstehen. Diese Art der Qualitätskontrolle ist sicherlich im Sinne aller Operateure und wäre zu begrüßen. Der in Deutschland zu beobachtende Trend, Qualität allein dadurch erzeugen zu wollen, dass jeder Handgriff vorgeschrieben, festgelegt und „verschriftet” wird, nimmt gelegentlich bedrohliche Züge an. Diese oft wenig sinnvolle Arbeit bindet Personal für notwendige Tätigkeiten und lässt gelegentlich die Frage aufkommen, wofür wir gut ausgebildete Ärzte und Pflegekräfte angesichts solcher Kochrezepte und Ablaufdiagramme noch brauchen.

Die wirkliche Qualitätssicherung versteht sich nach meiner Auffassung und vermutlich auch der vieler Patienten entscheidend in der Kontrolle der Ergebnisqualität. Eine solche Qualitätskontrolle ist zielführend und wird eine stete Verbesserung unserer medizinischen Leistungen ermöglichen.

Organisatorisch müssten hierfür jedoch die gesundheitspolitischen Weichen gestellt werden.

Prof. Dr. med. Thomas Deitmer

HNO-Klinik, Klinikum Dortmund

Beurhausstraße 40 · 44123 Dortmund ·

eMail: stkd.hno@dokom.net

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