Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(42): 2215
DOI: 10.1055/s-2003-42981
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Anwendungsbeobachtung - eine Beobachtung der Anwendung: Soll sie publiziert werden?

Zu Beiträgen aus DMW 16/2003
Further Information

Publication History

Publication Date:
16 October 2003 (online)

Meisters Vorschlag, die kollektive Weisheit der Ärzteschaft für die Wissenschaft zu nutzen, ist zweifellos eine charmante Idee [1]. Leider können wir ansonsten sowohl seinem Beitrag als auch dem zugehörigen Editorial [2] nur wenig zustimmen.

Der Aufruf zur Publikation von Anwendungsbeobachtungen (AWB) ist aus unserer Sicht von der Realität überrollt worden: AWB werden und wurden hundertfach publiziert, zwar nicht in Zeitschriften mit „peer review“, jedoch im Internet, in der Werbung der pharmazeutischen Industrie und in vielen medizinischen Zeitschriften, die sich primär als Fortbildungszeitschriften verstehen, in denen eine scharfe Trennung von „public relation“ und sonstigem Inhalt oft nur schwer möglich ist. Sowohl Werbung als auch die genannten Medien nützen die biometrische Unkenntnis des Großteils der medizinischen Leserschaft aus, in dem sie AWBs ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen umhängen.

Auch dem Argument, die externe Validität einer AWB sei hoch, können wir ungeprüft nicht zustimmen: Mächtige Störfaktoren der externen Validität begründen unsere Zweifel an der Generalisierbarkeit der Befunde. Renommierte deutsche Kliniker warnen vor als Anwendungsbeobachtung getarnten Marketing-Aktivitäten der Pharmaindustrie [4].

Dem gegenüber stimmen wir natürlich zu, dass nicht kontrollierte Studien-Designs (Case Series, Kohortenstudien) auch in Zeiten von „Evidence-based Medicine“ eine Bedeutung haben. Eine wesentliche Domäne dieser Studien ist die Hypothesen-Generierung, die unerlässliche Hypothesen-Prüfung ist aber unverändert durch ein Randomized Clinical Trial (oder ein „Systematic Review“) durchzuführen.

Wir möchten mit einem Zitat aus einem Editorial des British Medical Journal schließen: „We need less research, better research, and research done for the right reasons“ - es besteht also aus unserer Sicht keine Notwendigkeit, ein für die wesentlichen und häufigsten Fragestellungen in der Medizin („does a treatment work?“) ungeeignetes Design aufzuwerten.

Literatur

  • 1 Meister W. Die Anwendungsbeobachtung - eine Beobachtung der Anwendung.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 859-862
  • 2 Middeke M. Nicht nur beobachten, auch publizieren.  Dtsch Med Wochenschr. 2003;  128 857-858
  • 3 Costa S D, Diel I J, von Minckwitz G, Scharl A, Kaufmann M. Ein Kommentar zur klinischen Forschung in Deutschland am Beispiel der gynäkologischen Onkologie - Wege aus einer Sackgasse.  Geburtsh u Frauenheilk. 1998;  58 133-138
  • 4 Altmann D G. The scandal of poor medical research.  BMJ. 1994;  308 283-284

Dr. S. Fortunat
Prim. Univ. Doz. Dr. G. Röggla

Abteilung für Innere Medizin im AKH Neunkirchen

Peischingerstraße 19

A-2620 Neunkirchen

Phone: 0043 2635 602 2319

Fax: 0043 2635 602 3559

Email: roeggla.interne@khneunkirchen.at

    >