Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(8): 365
DOI: 10.1055/s-2003-37371
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Perspektiven der Pharmakotherapie in der Gastroenterologie

New perspectives of gastrointestinal pharmacotherapyS. Endres1 , P. C. Scriba1
  • 1Medizinische Klinik Innenstadt und Abteilung für Klinische Pharmakologie
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Publication Date:
20 February 2003 (online)

Wenn in diesem Heft von Perspektiven die Rede ist, so bringt dies zum Ausdruck, dass wir von den Autoren eine Darstellung des zu Erwartenden vor dem Hintergrund des aktuell Gesicherten erbaten. Die Pharmakotherapie in der Gastroenterologie umfasst das Spektrum von anti-infektiven, anti-entzündlichen, anti-neoplastischen und metabolisch aktiven Wirkstoffen. Neue Befunde in der Signaltransduktion eröffnen neue Therapieansätze. Eine zukunftsgerichtete Diskussion erscheint uns unverzichtbar. Die Wirksamkeit unter Idealbedingungen (efficacy) bzw. unter Alltagsbedingungen (effectiveness) wird mehr und mehr vor dem Hintergrund der Nutzen-/Kostenbeziehung gesehen. Und wenn Disease-Management-Programme und Leitlinien formuliert werden, hat mancher heute die Ökonomie dabei im Hinterkopf. Dennoch: Einer Eingliederung neuer Ansätze in den Kanon der angemessenen Methoden muss zunächst die Entwicklung neuer Methoden vorausgehen und dafür brauchen wir Visionen und Perspektiven. Die Gastroenterologie ist das Teilgebiet, auf dem sich medikamentöse Therapie mit endoskopischer Intervention und Operation in besonderer Weise ergänzen.

Für einige der Beiträge wurden Autoren eingeladen, die im November 2002 zum Symposium „Perspektiven der Pharmakotherapie in der Gastroenterologie” in der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur zusammenkamen. Ausgerichtet von der Paul-Martini-Stiftung diskutierten Wissenschaftler aus den Universitäten und aus der Industrie sowie Sachverständige aus Ministerien, Behörden und Verbänden 2 Tage lang.

Organe des Verdauungstrakts sind nicht nur Ziele der kurativen Pharmakotherapie, Leber und Pankreas sind auch Manifestationsorgane von Arzneimittelnebenwirkungen. Eigler und Mitarbeiter fassen Inzidenz und wesentlich betroffene Medikamentengruppen der Arzneimittel-induzierten Pankreatitis zusammen (S.366). Beispiel für die differente Pathophysiologie dieser Pankreatitis ist Azathio-prin: Hier steht eine dosisunabhängige, idiosynkratische Pankreatitis neben der dosisabhängigen Erkrankung durch Akkumulation bei Defizienz des abbauenden Enzyms.

700000 Menschen in Deutschland sind mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Die zuerst etablierte Monotherapie mit Interferon-α wurde zunächst durch die Kombination mit Ribavirin dann durch die Optimierung der Pharmakokinetik durch kovalente Bindung des Interferons an Polyethylenglykol rasch verbessert. In der Rubrik „Aktuelle Diagnostik und Therapie” (S.370) fasst Zeuzem den aktuellen Stand der Kombinationstherapie der Virushepatitis C zusammen.

Porale Hypertension und periphere Dilatation sind die zentralen hämodynamischen Veränderungen der Leberzirrhose. Beide pathophysiologischen Zielgrößen sind Ansatzpunkte für die medikamentöse Therapie von Aszites und hepatorenalem Syndrom, wie Gülberg und Gerbes beschreiben (S.375).

Der Abbauweg von Azathioprin war eines der ersten Beispiele für die klinische Bedeutung der Pharmakogenetik: Für das Enzym Thiopurinmethyltransferase, das wesentlich zur Entgiftung von Azathioprin beiträgt, liegen mehrere genetische Polymorphismen mit unterschiedlicher enzymatischer Aktivität vor. Schwab und Stange zeigen die diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen auf, die sich aus der Kenntnis des Metabolismus von Azathioprin und 6-Mercaptopurin ergeben (S.378).

Hepatischer und intestinaler Medikamententransport sind die Schlüsselschritte von Wirkstoffelimination und Wirkstoffaufnahme. Zusammen determinieren sie die Bioverfügbarkeit von (oral zugeführten) Medikamenten. Kullak-Ublick und Mitarbeiter fassen die Rolle von nukleären Rezeptoren bei diesen Transportvorgängen zusammen (S.389). Darüber hinaus erschließt die Untersuchung dieser Transportmoleküle das Verständnis des Fremstoffmetabolismus.

In der Behandlung der gastroösophagealen Refluxerkrankung stand bisher bei Versagen oder Unverträglichkeit einer Pharmakotherapie die operative Fundoplikatio als Reservetherapie zur Verfügung. Mit gleich vier alternativen Verfahren kommt jetzt die endoskopische Therapie als prinzipiell dritte Säule dazu. Allescher stellt den Entwicklungsstand dieser Verfahren vor, die erst an wenigen Zentren durchgeführt werden (S.394). Dem gegenübergestellt ist ein Kommentar von Malfertheiner zu den Protonenpumpeninhibitoren als erste Säule in der Therapie der Refluxerkrankung (S.396).

Prof. Dr. med. Stefan Endres

Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität

Ziemssenstraße 1

80336 München

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