Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(40): 1212-1213
DOI: 10.1055/s-2000-7701
Leserbriefe
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Modell zur Zertifizierung der Gastroenterologischen Fachpraxis nach DIN ISO 9001

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Ausgangspunkt der Diskussion ist die Prüfung der Applizierbarkeit und Einführung der DIN ISO 9001 in das ambulante Versorgungsgeschehen innerhalb eines Teilprojektes im Rahmen eines Demonstrationsprojektes des Bundesgesundheitsministeriums zum Qualitätsmanagement in der Arztpraxis.

Auf der Basis der DIN ISO 9001 haben die Autoren[1] ein derartiges Qualitätsmanagement in einer gastroenterologischen Fachpraxis umgesetzt unter Verknüpfung mit bereits gültigen Leitlinien der nationalen gastroenterologischen Fachgesellschaft DGVS.

In ihrer Diskussion heben die Autoren die positiven Auswirkungen dieser leitliniengestützen Zertifizierung hervor und postulieren eine Verbesserung von Struktur- und Prozessqualität einer gastroenterologischen Fachpraxis durch die DIN ISO-Zertifizierung.

Dabei stellen sie die Behauptung auf, dass »akkreditierte« Versorgungseinrichtungen (= Strukturqualität) bezüglich der Qualität der einzelnen Versorgungsleistungen (= Prozessqualität) und auch der Patientenzufriedenheit den nicht »akkreditierten« Einrichtungen überlegen seien. Dies wollen sie anhand nicht näher definierter »Qualitätsindikatoren« belegt haben.

Die Autoren mögen nun vielleicht durch eine ISO-Zertifizierung ihre Struktur- und Prozessqualität verbessert haben; die Schlussfolgerung, dass damit auch die Ergebnisqualität, sprich deren Indikatoren Morbidität und Mortalität der Patienten, günstig beeinflusst werden kann, ist jedoch nicht zulässig; oder soll Patientenzufriedenheit etwa der Hauptindikator der Ergebnisqualität sein?

Mit einer ISO-Zertifizierung wird jedoch vor allem außer Acht gelassen, dass wir in einem vereinten Europa Modelle zur Qualitätssicherung zusammen mit unseren europäischen Nachbarn erarbeiten müssen und wollen.

Schließlich scheinen die Autoren in ihrem Bestreben um Einführung einer ISO-Zertifizierung den finanziellen Aspekt der hohen primären Zertifizierungskosten von ca. 35 000 DM, der Nachfolgelasten aufgrund allfälliger Nachzertifizierungen sowie der Kosten einer später ohnedies anstehenden Neu-Zertifizierung nach EU-Normen zu übersehen; eine finanzielle Kompensation ist ja nicht vorgesehen!

Wem nützt also diese ISO-Zertifizierung in der Medizin?

Doch nur dem, der dieses Modell schafft und unterhält. Nicht jedoch denen, die sich unter Einhaltung bereits gültiger Leit- und Richtlinien um eine möglichst gute Struktur-, Prozess- und vor allem Ergebnisqualität ihres ärztlichen Handelns bemühen, seien es die niedergelassenen Kollegen oder die Kollegen im Krankenhaus.

Die Einführung der DIN ISO 9000 ff in die stationäre oder ambulante Medizin wäre ein klares Ausgrenzungsinstrumentarium zur Ausschaltung nicht »akkreditierter« Einrichtungen. Gleichzeitig fungierte sie als subtile und nicht zu vergessen teure »ABM« für die gesamte Akkreditierungsmaschinerie.

Die deutsche Krankenhausgesellschaft, die Bundesverbände der Krankenkassen und die Bundesärztekammer haben sich einmütig gegen eine Zertifizierung nach DIN ISO 9000 ff ausgesprochen.

Wir gehen mit der Auffassung der Ärztekammer, der Kassen und der Krankenhausgesellschaft konform und lehnen eine Zertifizierung nach DIN ISO 9000 ff als leitliniengestützte Qualitätsnorm ab.

Im sich einigenden Europa werden nationale Rechtsnormen an das europäische Recht angepasst. Auch in der Medizin erlangen national übergreifende Bestimmungen zunehmende Bedeutung. Nationale DIN-ISO-Zertifizierungen sind in diesem europäischen Kontext in der Medizin nicht mehr akzeptabel. Der Versuch einiger europäischer Nachbarländer, DIN-ISO als Zertifizierung-Tool einzuführen, ist übrigens bereits gescheitert.

Eine - auch vom Gesundheitsministerium gewünschte - Evaluierung nach der geplanten neuen EU-ISO-Norm ist jedoch nicht zuletzt auch dehalb abzulehnen, weil die von Betreibern wie vom Bundesgesundheitsministerium propagierte kostenträchtige (im Mittel ebenfalls ca. 35 000,- DM) Zertifizierung allein durch die betroffenen Ärzte finanziert werden soll und für die Betroffenen keine Fördermittel zur Verfügung stehen, obwohl die ambulante gastroenterologische Versorgung der Kassenpatienten seit längerer Zeit nachweislich unter Kostendeckung erfolgt und damit wirtschaftlich ruinös ist.

Steuermittel dürfen nicht für eine bereits im Ansatz zum Scheitern verurteilte weitere Durchsetzung eines Modellvorhabens verschwendet werden, zumal bereits auch von den Kostenträgern akzeptierte EU-konforme Zertfizierungsansätze (z. B. EFQM ) zur Verfügung stehen.

Das Prinzip, Struktur- und Prozessqualität durch Zertifizierung im Rahmen von ISO-Normen zu optimieren, verkommt zum Selbstzweck und bleibt auf der Ebene einer Perfektionierung apparativ-technokratischer Maßnahmen und Abläufe hängen.

In unserer hoch technisierten Gesellschaft fehlt es (allen fachärztlich tätigen Kollegen) nicht mehr an der apparativen Ausstattung; das Hauptproblem stellt doch mittlerweile vielmehr dar, dass es zunehmend an der Fähigkeit mangelt, diese technische Ausstattung sinnvoll und überlegt einzusetzen.

Struktur- und Prozessqualität mit dem Ziel einer Optimierung der Ergebnisqualität ist am wirkungsvollsten zu verbessern durch bestmögliche Ausbildung und stetige Aktualisierung des medizinischen Kenntnisstandes. Diesem Leitsatz muss gesundheitspolitisch wie standespolitisch allerhöchste Priorität eingeräumt werden.

Statt ISO- bzw. EU-ISO-Zertifizierung fordern wir deshalb neben einer mehr praxisorientierten Ausbildung der Studenten ausdrücklich die Verpflichtung der Ärzteschaft in Klinik und Praxis zur regelmässigen, dokumentierten (»credit points«), fachgerechten Fortbildung. Andere Nationen dokumentieren die Wertschätzung der ärztlichen Fortbildung als wichtigste Massnahme zur Erzielung einer guten Ergebnisqualität schon jetzt dadurch, dass Weiterbildungskosten anteilig von den Kostenträgern übernommen werden.

Statt einer EU-ISO-Zertifizierung empfehlen wir daher unseren in Niederlassung und Klinik tätigen Kollegen, zusätzlich die Qualifikation als Europäischer Spezialist in ihrer jeweiligen Disziplin durch ein europaweit gültiges UEMS-Zertifikat zu erwerben. Ansprechpartner in Deutschland ist Herr Prof. Dr. Phillip - Chefarzt des Krankenhauses Freising - als Vertreter der UEMS für den Bereich Gastroenterologie.

Nur durch solche Maßnahmen und durch gleichzeitige Einhaltung von sorgsam erarbeiteten Richtlinien und Leitlinien können wir unsere Ergebnisqualität optimieren im Sinne einer Verminderung von Morbidität und Mortalität und dazu beitragen, unseren Patienten ein längeres besseres Leben zu ermöglichen!

Literatur

  • 1 Birkner B, Strauch M, Schenck F. Modell zur Zertifizierung der Gastroenterologischen Fachpraxis nach DIN ISO 9001.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 199-203

Dr. Peter Janetschek

Mitglied des Vorstandes des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen (BNG) und Mitglied des Vorstandes des Berufsverbandes der Niedergelassenen Fachärztlichen Internisten (BNFI); für die Vorstände des BNG und des BNFI

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