Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(34/35): 996
DOI: 10.1055/s-2000-7066
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Therapie der IgA-Nephritis

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Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Das klinische Bild der IgA-Nephritis reicht von einer alleinigen persistierenden Mikrohämaturie bis zu einer rapid-progressiven Verlaufsform. Damit ist schon die Indikation zur Nierenbiopsie mit entscheidend dafür, welche Befunde der jeweilige Untersucher sieht und welche Prognose und Therapie hieraus abgeleitet werden. Je nach Auswahl der Patienten wurde in Studien nachgewiesen oder errechnet, dass von diesen 20 %-50 % nach 20 Jahren dialysepflichtig wurden. Diese ungünstige Prognose veranlasst viele Nephrologen therapeutisch einzugreifen, obwohl eine kausale Therapie nicht existiert. Die Tatsache, dass in der vorliegenden Pro & Contra- Diskussion [1] [2] keine klare Contra-Position eingenommen wird, unterstreicht dies.

Entscheidend für die Behandlung des Patienten ist die Abschätzung der Prognose. Für eine schlechte Prognose sprechen folgende klinische Befunde: Männliches Geschlecht, ein früher Krankheitsbeginn im Kindesalter oder im höheren Alter, sowie Symptome (persistierende Mikrohämaturie, Proteinurie > 1 g/d, bestehende arterielle Hypertonie und eingeschränkte Nierenfunktion). Histologisch sind eine Glomerulosklerose, eine interstitielle Fibrose und natürlich der Nachweis von Halbmonden als ungünstig zu werten. Da diese Risikofaktoren auch für andere Glomerulonephritiden (MGN, FSGS) gelten, wurden die symptomatischen oder immun-suppressiven Therapieprinzipien auf die Behandlung der IgA-Nephritis übertragen.

Die symptomatische Therapie wird von Mertens und Floege[2] zu Recht in den Vordergrund gestellt, da die antihypertensive Therapie - wahrscheinlich am besten mit einem ACE-Hemmer - über eine Normalisierung des Blutdrucks renoprotektiv wirkt. Gleiches gilt für die Verminderung der Proteinurie auf Werte unter 1 g/24h. In diesem Zusammenhang sollte die Normalisierung der Eiweißzufuhr auf etwa 0,8 g/24 h genannt werden.

Die immunsuppressive Therapie ist umstritten. Gesichert ist die Gabe von Kortikosteroiden für die IgA-Nephritis mit IgA-Ablagerungen im Mesangium bei ansonsten histologischen Veränderungen im Sinne einer Minimal-change-Nephropathie. Liegt eine rapid progressive Form der IgA-Nephritis vor, sind Methylprednisolon und Cyclophosphamid indiziert. Ist die Niere histologisch im Sinne einer überwiegenden tubulo-interstitiellen Fibrose oder globalen Sklerose so schwer verändert, dass der Prozess irreversibel erscheint, überwiegen die Risiken der Immunsuppression ihren Nutzen.

Eine Therapie erscheint ausschließlich geeignet bei Patienten mit Risikofaktoren, wobei die Hypertonie und Proteinurie als Erfolgsparameter prädestiniert erscheinen. Die Indikation zu einer Kortikosteroidtherapie galt auf Grund der unterschiedlichen Ergebnisse bei unzureichender Studienlage als nicht gesichert. Die kontrollierte, randomisierte Studie von Pozzi et al. [3], untersuchten die frühzeitige Gabe von Steroiden (Methylprednisolon-Stoßtherapie gefolgt von 0,5 mg/kg Prednisolon für 6 Monate) bei Patienten mit einer noch normalen Nierenfunktion und einer Proteinurie von > 1 g/d. Sowohl Barth als auch Mertens und Floege [1] [2] zitieren diese Studie. 6 Jahre nach Beginn der Studie war nur bei einem Patienten der Steroid-behandelten Gruppe eine Verdopplung des Serumkreatinins eingetreten, aber bei neun Patienten in der Kontrollgruppe. Die für die IgA-Nephritis typische, langsame Progression (50 % Kreatininerhöhung in 6 Jahren) wurde nicht entscheidend verhindert. Kritisch angemerkt werden muss die Auswahl der Patienten. Von 370 in acht Jahren untersuchten Patienten wurden nur 86 in die Studie eingeschlossen, wovon jedoch nur ein geringer Teil über 6 Jahre nachbeobachtet wurde. Die erstaunliche Homogenität beider Gruppen legt eine Auswahl der Patienten nahe, die eine allgemeine Übertragbarkeit der Ergebnisse fraglich macht. Für eine Therapie mit Cyclophosphamid, Cyclosporin A oder andere toxischen Immunsupressiva gibt es nach den heutigen Erkentnissen keine Indikation. Nur bei Kindern könnte Azathioprin, Prednisolon zusammen mit Heparin und Warfarin indiziert sein.

Fischöl wurde in fünf kontrollierten Studien untersucht, von denen nur eine Studie eine renoprotektive Wirkung ohne Effekt auf die Proteinurie zeigte.

Die Therapieempfehlungen von Pro & Contra sind fast identisch und zeigen die nach wie vor bestehende Unsicherheit, die besteht, weil mit den heutigen Methoden die individuelle Prognose nicht bestimmt werden kann, der pathophysiologische Mechanismus der Erkrankung nicht ausreichend verstanden ist, um spezifische, therapeutische Strategien zu entwickeln und letztendlich kontrollierte Studienergebnisse trotz der Häufigkeit der IgA-Nephritis fehlen.

Literatur

  • 1 Barth C. Frühe Behandlung der IgA-Nephritis bei prognostischen Risikofaktoren ist indiziert.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 1009
  • 2 Mertens P R, Floege J. Behandlung der IgA-Nephropathie: Eine kritische Stellungnahme.  Dtsch med Wschr. 2000;  125 1010
  • 3 Pozzi C, Bolasco P G, Fogazzi G B. et al. . Corticosteroids in IgA nephropathy: a randomized trial.  Lancet. 1999;  353 883-887

Prof. Dr. T Risler
Dr. N Braun

Sektion Nieren- und Hochdruckkrankheiten

Universitätsklinikum Tübingen

Otfried-Müller-Str. 10

72 076 Tübingen

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