Laryngorhinootologie 2016; 95(11): 808
DOI: 10.1055/s-0042-116889
Fragen für die Facharztprüfung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fragen für die Facharztprüfung

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Publication Date:
09 November 2016 (online)

Frage: Sprechen Sie über Entstehung, Ausbreitung, Symptome und Therapie des Mundbodenabszesses.

Antwort: Mundbodenabszesse entstehen durch Eindringen von Eitererregern über orale Schleimhautverletzungen. Eintrittspforten sind häufig Fremdkörpereinspießungen (Fischgräten, Knochensplittern etc.), Zungenrhagaden, kariöse Zähne, Verletzungen des Wharton-Ganges, Entzündungen der kleinen Speicheldrüsen und Tonsillen, Insektenstiche oder – bei immundefizienten Patienten – bereits Bagatellverletzungen. Bei phlegmonöser Ausbreitung kombiniert mit Thrombophlebitis können brettharte Mundbodenschwellungen entstehen, die dann als Angina Ludovici bezeichnet werden. Typische Symptome sind lokale Schwellung, Livideverfärbung und Bewegungseinschänkung der Zunge mit Sprechbehinderung bis -unfähigkeit, Druckdolenz mit lokaler Hautrötung und –überwärmung, Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Dysphagie und Atemnot. Die Entzündungen können rasch in den Parapharyngealraum durchbrechen und sich zur lebensbedrohlichen Mediastinitis fortentwickeln.

Die kurze Anamnese und das klinische Bild führen zur Diagnose. Die Abszessgrenzen sind mit der B-Bild Sonographie meist gut darstellbar. Die Computertomographie mit Kontrastmittelgabe vom Visceralschädel bis zum Mediastinum zeigt craniocaudale Ausdehnung der Entzündung und ggf. Lufteinschlüsse als Hinweis auf Gasbildner. Die Punktionsaspiration von Pus mit mikrobiologischem Erregernachweis beweist den Verdacht.

Die Therapie der Wahl ist die Abszessdrainage unter initial breiter i.v.-antibiotischer Abdeckung mit anschließender Fortführung und Anpassung der Antibiose nach dem Ergebnis der Resistenzbestimmung. Der Ausgangsherd sollte gleichzeitig mitsaniert werden. Submucös am Mundboden, in der Sublingualloge oder paramandibulär gelegene Abszedierungen werden von enoral eröffnet und mit Streifen- oder Lascheneinlage drainiert.

Abszesse kaudal des M. mylohyoideus sind von außen zu inzidieren. Abszesse der Submentalloge werden durch mediane Inzision zwischen Kinn und Zungenbein bis zur Muskulatur, eine Aufspreizung bis zur Mittellinie und den seitlichen Logen mit anschließender Drainage versorgt. Bei Abszessen der Submandibularloge erfolgt der Hautschnitt zur Schonung des R. marginalis N. facialis 2 cm unterhalb des Unterkieferrandes, Platysma und oberflächliche Faszie werden durchtrennt. Der Abszess wird unter Gegendruck vom Mund her stumpf aufgespreizt. Wichtig ist das Einstellen großlumiger Drainagerohre, die bis zum Sistieren der Eiterung verbleiben und täglich zum Beispiel mit H2O2- und physiologischer NaCl-Lösung oder antiseptischen Lösungen gespült werden. Bei Fortschreiten und Nekrotisierung sind die nekrotischen Areale zu resezieren und eventuell mit Vacuum-Verbandsystemen zu behandeln.

Differentialdiagnostisch ist vor allem an die Aktinomykose, das Mundbodenhämatom, spezifische Infekte (Lues, TBC) und Malignome zu denken, warum bei der Abszessspaltung immer Gewebe zur pathologischen Untersuchung geschickt werden sollte.

Sprechen Sie über Indikation, Wirkungsweise und Operation eines Cochlea-Implantates!

Antwort: Ein Cochlea-Implantat (CI) ist indiziert, wenn eine cochleär bedingte Schwerhörigkeit vorliegt, die durch Hörgeräte nicht mehr adäquat versorgt werden kann. Als Grenzwerte gelten eine Einsilberverständlichkeit im Sprachaudiogramm mit Hörgerät im freien Schallfeld bei 65 dB unter 40% und ein Hörverlust im Reintonaudiogramm über 60–70 dB im Sprachbereich. Die Indikation besteht sowohl beim einseitigen als auch beim beidseitigen Hörverlust. Als bimodale Versorgung wird die Kombination von Hörgerät auf dem besser hörenden Ohr und CI auf dem schlechter hörenden Ohr bezeichnet. Zusätzlich bestehender belastender Tinnitus kann durch die Verstärkung der Umweltgeräusche durch das CI besser maskiert werden.

Kontraindikationen sind ein Fehlen der Cochlea beziehungsweise des Hörnervens, eine nicht sichergestellte postoperative Rehabilitation und Nachsorge beziehungsweise fehlende Rehabilitationsfähigkeit sowie eine Taubheit mit Funktionsstörungen im Bereich der zentralen Hörbahnen. Mittelohrinfektionen, schwere Allgemeinerkrankungen sowie therapieresistente Krampfleiden können relative Kontraindikationen sein. Gehörlos geborene Kinder sollten so schnell wie möglich vor dem ersten Lebensjahr implantiert werden. Es besteht keine Altersgrenze nach oben, wenn eine Operations- und Rehabilitationsfähigkeit vorliegt. Je schneller nach einer Ertaubung die Versorgung erfolgt, umso kürzer ist die Rehabilitationsphase, wobei auch langzeitertaubte Patienten mit gutem Erfolg bei intensiver Rehabilitation versorgt werden können. Eine möglichst rasche Versorgung sollte bei einer Ertaubung in Zusammenhang mit einer Meningitis und drohender Obliteration der Cochlea erfolgen.

Das CI besteht aus zwei Komponenten: dem Soundprozessor mit Sendespule, der hinter dem Ohr getragen wird, und dem Implantat unter der Haut mit der Elektrode, die in der Cochlea liegt. Der Soundprozessor nimmt die Schallwellen mit Mikrofonen auf, wandelt sie in digitale Signale, verarbeitet sie und leitet sie weiter an die Sendespule.

Die Spule überträgt die Signale an das unter der Haut liegende Implantat. Das Implantat wandelt die kodierten Signale in elektrische Impulse um und leitet sie an die 22 Elektroden weiter, die in der Cochlea nahe dem Hörnerv platziert sind.

Bei der Operation wird eine Mastoidektomie mit posteriorer Tympanotomie durchgeführt und die Elektrode über eine Cochleostomie oder das runde Fenster in die Cochlea eingeführt. Für das Implantat wird ein Implantatbett in die Kalotte gefräst. Bei einer offenen Radikalhöhle muss die Elektrode abgedeckt werden, um eine Elektrodenextrusion zu vermeiden. Intraoperativ werden der Elektrodensitz und die Ansteuerbarkeit aller Elektrodenpaare durch Telemetrie geprüft. Zur Infektionsprophylaxe sollte vor der Operation eine Immunisierung gegen Pneumokokken, Meningokokken und Hämophilus influenzae erfolgen.

Entscheidend für den Erfolg einer CI-Versorgung ist die anschließende strukturierte Rehabilitation. Wenn ca. 5 Wochen nach der Implantation das Gerät aktiviert wird, muss das Hören über das CI neu erlernt werden. Die Rehabilitation erfolgt in der Regel in CI-Rehabilitationszentren, die eine Rehabilitation durch ein Team aus Audiologen, Psychologen, Pädagogen, Logopäden und HNO-Ärzten und eine lebenslange Nachsorge ermöglichen.