Gesundheitswesen 2010; 72 - P206
DOI: 10.1055/s-0030-1266713

Computer- und Glücksspielverhalten Brandenburger Jugendlicher. Eine vergleichende Betrachtung zum Substanzkonsum

S Jankowiak 1, A Böhm 2
  • 1Berlin School of Public Health, Berlin
  • 2Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Abteilung Gesundheit, Potsdam

Einleitung: Computerspiele gehören neben dem Fernsehen zu den favorisierten Unterhaltungsmedien Jugendlicher und stehen aktuell verstärkt im wissenschaftlichen Interesse. Die Datenbasis zu diesem Themenbereich ist jedoch noch rar. Neben Fragen der Häufigkeit und der (Gewalt)inhalte können Computerspielformate insbesondere auch wegen ihres enormen Zeitaufwandes problematisch werden, was bislang keine Beachtung durch den Jugendmedienschutz findet. Die vorliegende Untersuchung hat das Ziel, Frequenz und Nutzungszeit von Computer- und Glücksspielen zu eruieren und ein Risikomodell anhand soziodemographischer Daten und des Einflusses verschiedener Substanzen zu erstellen. Methoden: Im Schulhalbjahr 2008/09 wurde eine Querschnittsuntersuchung an etwa 9.500 Brandenburger Zehntklässlern durchgeführt. Es wurden Lebenszeitprävalenz und Nutzungsfrequenz von PC-/Konsolenspielen, Online-Rollenspielen sowie Glücksspielen erhoben. Ebenfalls wurde der aktuelle Konsum von Alkohol, Tabak, Cannabis, harten Drogen und stimmungsbeeinflussenden Medikamenten erfasst. Für die Häufigkeitseinschätzung zeitlich problematischen Spielens wurden 5 Nutzergruppen gebildet. Exzessives Computerspielen (mindestens 4,5 Stunden täglich) wurde mithilfe logistischer Regressionen geprüft. Ergebnisse: 39% der Jungen und 8% der Mädchen spielen täglich irgendein Glücks- oder Computerspiel. 21% nutzen täglich PC-/Konsolenspiele, 10% Online-Rollenspiele. 16% der Jungen und knapp 3% der Mädchen spielen exzessiv. Exzessives Computerspielen ist primär beeinflusst durch das Geschlecht mit 7-facher Chance für Jungen sowie durch die besuchte Schulform, bei der für Gesamtschüler, Oberschüler und Förderschüler eine 1,5-fach bis 3-fach höhere Chance gegenüber Gymnasiasten besteht. Mit Exzessivspielen in Verbindung steht auch eine erhöhte Chance mehrmals wöchentlichen Alkoholkonsums und mindestens wöchentlichen Konsums stimmungsbeeinflussender Medikamente und harter Drogen, während diese für tägliches Rauchen verringert ist. Diskussion: Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Computer- und Onlinespielen für junge Menschen. Allein unter den Zehntklässlern im Land Brandenburg spielen etwa 1.250 Jungen und 250Mädchen täglich mindestens 4,5 Stunden. Computer- und Onlinespiel soll weder dämonisiert noch verharmlost werden, aber allein aufgrund der Anzahl von Exzessivspielern besteht ein besorgniserregendes Abhängigkeitspotenzial. Die vorliegende Studie bietet eine eindeutige Datengrundlage für Präventionsprogramme und zielgerichtete Interventionen: Verglichen mit stoffgebundenen Süchten liegt beim Computer- und Onlinespiel ein weitaus deutlicherer Geschlechtsgradient vor. Dieser ist verbunden mit einem niedrigen Bildungshintergrund und erhöhten Risiken für Substanzkonsum.