Gesundheitswesen 2010; 72 - P179
DOI: 10.1055/s-0030-1266686

Ist das bevölkerungsbezogene Krebsrisiko in ehemaligen Uranbergbaugebieten der Wismut erhöht?

R Stabenow 1
  • 1Gemeinsames Krebsregister der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen, Berlin

Hintergrund: Die Inhalation von Radon und seinen radioaktiven Folgeprodukten ist nach dem Tabakrauch die wichtigste Ursache für Lungenkrebs. Insbesondere Bergleute im Wismut-Uranbergbau waren einer enormen Radonbelastung ausgesetzt. Die DDR war der drittgrößte Uranproduzent der Welt (nach den USA und Kanada). Die größten und bekanntesten Abbaugebiete lagen in Westsachsen in der Region um Schneeberg/Schlema und in Ostthüringen mit dem größten Revier um Ronneburg. Ziel dieser Analyse ist die Untersuchung des bevölkerungsbezogenen Krebsrisikos in Ostthüringen und Westsachsen, wobei nicht nur Lungenkrebs, sondern auch andere Krebsarten betrachtet werden. Material und Methoden: Anhand der Daten des Gemeinsamen Krebsregisters für den Zeitraum 1983–2007 werden für sämtliche Gemeinden des sächsischen Landkreises Aue-Schwarzenberg und für ehemalige Wismut-Gemeinden Ostthüringens altersstandardisierte Inzidenzen und Standardisierte Inzidenzratios (SIR) berechnet. Die Analyse erfolgt sowohl für den Gesamtzeitraum als auch nach Einzeljahren, um auf Trends zu testen. Die Diagnosejahre 1990–1995 wurden wegen nicht vollzähliger Erfassung ausgeklammert. Ergebnisse: In der Region Schneeberg/Schlema wurden im Zeitraum 1983–2007 bei Männern erhöhte Inzidenzen für Lungenkrebs (SIR=2,13; 95%-KI: 1,93–2,36), Leberkrebs (SIR=1,65; 95%-KI: 1,15–2,29), Harnblasenkrebs (SIR=1,39; 95%-KI: 1,11–1,72) und Krebs insgesamt (SIR=1,28; 95%-KI: 1,21–1,35) festgestellt. Bei Frauen waren die Inzidenzen erhöht für Lungenkrebs (SIR=1,45; 95%-KI: 1,10–1,87), Speiseröhrenkrebs (SIR=2,28; 95%-KI: 1,09–4,20), Eierstockkrebs (SIR=1,38; 95%-KI: 1,08–1,74) und Krebs insgesamt (SIR=1,07; 95%-KI: 1,01–1,13). In Ronneburg wurde eine erhöhte Lungenkrebsinzidenz beobachtet (SIR=1,40; 95%-KI: 1,04–1,86). Das SIR beim Lungenkrebs für Männer in Schneeberg/Schlema weist einen rückläufigen Trend auf (p=0,08, lineares Modell von 2,47 in 1983 auf 1,78 in 2007). Bei den anderen Lokalisationen ist kein Trend nachweisbar. Bei Männern in Schneeberg/Schlema ist für Lungenkrebs ein Kohorteneffekt mit erhöhten Inzidenzen für die Geburtskohorte 1925–1930 erkennbar. Diskussion: Beim Lungenkrebs deuten sowohl die höheren SIR für Männer gegenüber Frauen als auch der rückläufige Trend bei Männern auf ehemalige berufliche Exposition hin. Die erhöhten Inzidenzwerte bei Frauen, insbesondere beim Lungenkrebs, könnten auf erhöhte Radonbelastung in der natürlichen Umwelt zurückzuführen sein.