Gesundheitswesen 2010; 72 - P154
DOI: 10.1055/s-0030-1266661

Das „Wunsch- und Wahlrecht“ (§9 SGB IX) in der medizinischen Rehabilitation – „Wünsche“, Kriterien der Klinikauswahl und Erfahrungen zum Umgang mit dem Wunsch- und Wahlrecht von Rehabilitanden

N Pohontsch 1, T Meyer 1
  • 1Universität zu Lübeck/Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck

Hintergrund: Der §9 SGB IX räumt mit dem „Wunsch- und Wahlrecht“ (WuW) Rehaantragstellern ein Mitspracherecht in Bezug auf alle Aspekte ein, die zur Konkretisierung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von Bedeutung sind. Im Fokus der Diskussion steht derzeit die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung. Empirische Daten zur Bedeutung des WuW aus der Betroffenensicht sind kaum verfügbar. Methode: In 10 Fokusgruppen wurden 71 Rehabilitanden aus 5 Indikationsbereichen u.a. zu den Themen Wünsche, Erfahrungen mit dem WuW und Auswahlkriterien für eine Rehabilitationseinrichtung befragt. Die Gespräche wurden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Ergebnisse: Nicht alle Rehabilitanden konnten oder wollten Wünsche nennen. Oft wurde davon ausgegangen, dass sich Wünsche nur auf den Standort der Rehabilitationsklinik beziehen könnten, solche Wünsche jedoch mit der Begründung abgelehnt, eine Rehabilitation sei kein „Urlaub“. Genannte Wünsche bezogen sich auf die Auswahl des Orts/der Klinik, den Zeitpunkt der Rehabilitation, die Möglichkeit einen (Ehe-) Partner oder Kinder mitzunehmen und die stationäre Unterbringung. Viele Rehaantragsteller im Heilverfahren erhielten keine Aufklärung/Informationen zum WuW. Bei der Beantragung einer Anschlussheilbehandlung wurde oft ein „Pseudo-Wunsch- und Wahlrecht“ gewährt. Der Sozialdienst erfragt die Präferenzen des Patienten, oft wird dieser dann jedoch in die Rehabilitationseinrichtung geschickt, die zuerst einen ein Platz anbieten kann. Den meisten Rehabilitanden fiel es schwer, Kriterien zu benennen, die eine künftige Auswahlentscheidung leiten würden. Genannt wurden vor allem Aspekte der Rehabilitandenorientierung, der Klinikstruktur und der Nachsorge. Der Behandlungserfolg spielte als Auswahlkriterium praktisch keine Rolle. Diskussion: Es zeigen sich Hinweise darauf, dass Rehaantragsteller nur ungenügend über das WuW aufgeklärt werden. Eine informierte und berechtigte Auswahlentscheidung kann aber unter den bestehenden Voraussetzungen nur schwer getroffen werden. Das WuW erscheint in seiner Bedeutung sowohl auf Seiten der beratenden Institutionen als auch der Rehabilitanden noch deutlich unterbewertet. Dies verweist auf die Notwendigkeit, weiterführende Aufklärung zu den Implikationen des WuW zu leisten.