Gesundheitswesen 2010; 72 - P144
DOI: 10.1055/s-0030-1266651

Drogensubstitutionsklienten in Deutschland: Informationen zur soziodemographischen Zusammensetzung, zur Substitutionsbehandlung und zu bestehenden Infektionskrankheiten

T Wörmann 1, H Jahn 1, L Prüfer-Krämer 2, A Krämer 1
  • 1Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
  • 2Praxis für Tropenmedizin, Bielefeld

Einleitung/Hintergrund: In Deutschland erhielten im Jahr 2008 72.000 Drogenkonsumenten eine Substitutionsbehandlung (SB). Sie gilt als effektive Methode, um illegalen Drogenkonsum zu reduzieren und um SB-Klienten vor HIV-, HBV- und HCV-Infektionen zu schützen. Da SB-Klienten häufig über einen längeren Zeitraum Drogen konsumieren ist es wahrscheinlich, dass in dieser Gruppe die Prävalenz der genannten Infektionen höher ist als unter nicht-substituierten Drogenkonsumenten oder in der Allgemeinbevölkerung. In Deutschland gibt es bisher nur wenige Studien zu diesem Thema. Ziel der Studie war es, detaillierte Informationen zu soziodemographischen Merkmalen von SB-Klienten, zur SB-Medikation und zur Kenntnis der Patienten über das Vorliegen von HIV-, HCV- und HBV-Infektionen zu erhalten. Material und Methoden: Deutschlandweit wurden die Daten von SB-Klienten mittels standardisiertem Fragebogen erhoben. Ergebnisse: Fragebögen von 1.186 SB-Klienten aus 40 verschiedenen Substitutionspraxen/-ambulanzen wurden analysiert. Die Mehrzahl der Teilnehmer war männlich (69,1%), ledig (59%), heterosexuell (87,7%), in Deutschland geboren (83,5%) und hatte keinen Migrationshintergrund (72,8%). Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 37 Jahren. 61,5% hatten entweder keinen Schulabschluss (12,7%) oder einen Haupt-, oder Sonderschulabschluss (48,8%); nur knapp die Hälfte hatte einen beruflichen Ausbildungsabschluss. Etwa zwei Drittel der Befragten gaben an, von Arbeitslosengeld II zu leben. Die SB war mehrheitlich auf einen unbefristeten Zeitraum (84,9%) angelegt; die häufigsten Substitutionsmittel waren Methadon (45,7%) und Levomethadon (30,7%). Nach Angaben der SB-Klienten wurden vor Beginn der SB 81,5% auf HCV, 71% auf HIV und 70,4% auf HBV untersucht. Falls nicht zu Beginn der SB, so wurde die Mehrzahl der SB-Klienten schon einmal auf die genannten Infektionskrankheiten untersucht. 48,7% gaben an, chronisch mit HCV, 9,1% chronisch mit HBV infiziert und 4,7% HIV-positiv zu sein. Diskussion/Schlussfolgerungen: Es besteht Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Abklärung von HBV-, HCV- und HIV-Infektionen bei SB-Klienten. Gemäß den geltenden SB-Richtlinien sollen drogenassoziierte Erkrankungen vor Beginn der SB abgeklärt werden, um eine adäquate medizinische Versorgung zu gewährleisten und um weitere Übertragungen zu verhindern. Diesen Richtlinien sollte unbedingt entsprochen werden.