Gesundheitswesen 2010; 72 - P139
DOI: 10.1055/s-0030-1266646

Sind adipöse Erwachsene in ihrer psychischen gesundheitsbezogenen Lebensqualität eingeschränkt? Ein systematischer Review neuerer Studien

T von Lengerke 1, M Stehr 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Psychologie, Hannover

Einleitung/Hintergrund: Die Adipositas gilt laut aktueller nationaler Leitlinie als chronische Krankheit mit eingeschränkter Lebensqualität. Zugleich wird die Frage, ob und wie sie mit psychischer Morbidität assoziiert ist, kontrovers diskutiert. Vor diesem Hintergrund gibt die vorliegende Arbeit einen systematischen Überblick über Querschnittstudien aus den Jahren 2001 bis 2009 zum Zusammenhang zwischen Adipositas und psychischer gesundheitsbezogener Lebensqualität bei Erwachsenen. Material und Methoden: Mittels PubMed und Literaturhandsuche wurden 25 Studien aus sehr hoch entwickelten OECD-Ländern (nach UNDP) identifiziert, die einen Vergleich mit nicht adipösen Gruppen (einschließlich Normalgewicht) beinhalteten, Grenzwerte nach Body Mass Index (BMI) laut WHO verwendeten sowie innerhalb der adipösen Gruppe nicht nur morbid adipöse Personen einschlossen. Alle Studien hatten den Short Form Health Survey 36 (SF-36) oder 12 (SF-12) eingesetzt. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass sich adipöse Erwachsene in ihrer psychischen Lebensqualität in 76% der Studien nicht bedeutsam von den normalgewichtigen oder nichtadipösen Vergleichsgruppen unterschieden. In jeweils 12% der Studien fanden sich adipositasassoziiert schlechtere bzw. erhöhte Werte. Dabei waren alle Fälle erhöhter Werte auf Männer sowie die Einschränkungen entweder auf Personen mit schwerer Adipositas oder Frauen beschränkt. Dagegen berichteten 96% der Studien Einschränkungen in der körperlichen Lebensqualität, wobei in insgesamt 72% alle adipösen Subgruppen betroffen waren. Diskussion/Schlussfolgerungen: Ohne einen metaanalytischen Anspruch erheben und Aussagen über Gewichtsveränderungen machen zu können, erlaubt der vorliegende Review die Schlussfolgerung, dass bei Erwachsenen im Allgemeinen nicht von adipositasassoziierten Einschränkungen in der psychischen Lebensqualität auszugehen ist. Ob dieses auch für andere Adipositasindikatoren als den BMI und für adipositasspezifische Lebensqualitätsinstrumente gilt, bleibt zu prüfen; ebenso steht ein Review zu Längsschnittstudien aus. Dennoch wird auf Basis der vorliegenden Evidenz empfohlen, bei Aussagen zur Lebensqualität adipöser Erwachsener möglichst anzugeben, ob Unterschiede in der körperlichen und/oder in der psychischen Lebensqualität gemeint sind.