Gesundheitswesen 2010; 72 - P107
DOI: 10.1055/s-0030-1266614

Die soziale Situation von behinderten und chronisch kranken Müttern in Sachsen

S Wienholz 1, A Jonas 1, S Riedel-Heller 1, M Michel 1
  • 1Universität Leipzig, Leipzig

Hintergrund: Menschen mit Behinderungen sind oft Empfänger gesellschaftlicher Diskriminierung und Missachtung. Sind sie auf Förderung, Hilfe und Begleitung angewiesen, werden sie schnell als Last der Gesellschaft empfunden. Behinderte schwangere Frauen oder behinderte Frauen mit Kinderwunsch müssen sich für diesen rechtfertigen und stehen später unter dem Druck, dem mütterlichen Ideal mehr als nichtbehinderte Frauen entsprechen zu müssen. Methode: Im Auftrag der Roland-Ernst-Stiftung für Gesundheitswesen Sachsen wurde von ca. 15.000 in Sachsen gemeldeten schwerbehinderten Frauen der Altersgruppe 25–45 Jahre eine Zufallsstichprobe von 10% gezogen, von denen sich 33% an der Befragung beteiligten. Von den 56% Müttern konnten 98, von den 44% kinderlosen Frauen konnten 45 für eine vertiefende Befragung zu ihren Erfahrungen und Vorstellungen in Bezug auf Partnerschaft, Kinderwunsch und Elternschaft gewonnen werden. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass Partnerschaft und Familienplanung wichtige Bestandteile im Leben von behinderten/chronisch kranken Frauen sind. Die Gründe für einen unerfüllten Kinderwunsch sind daher primär medizinischer Art. Unterstützung in ihrer Mutterrolle berichten behinderte/chronisch kranke Frauen mit Kindern vor allem durch Familie und Freunde, am seltensten durch ihre Partner. Ausgrenzung und Diskriminierung erleben die Befragten sowohl auf Grund ihrer Mutterschaft als auch wegen ihrer Erkrankung/Behinderung. Einschränkungen bei der Wahrnehmung ihrer Mutterrolle äußern sich unter anderem in der Nichtteilnahme an familiären Alltags- und Freizeitaktivitäten. Andererseits berichten die Mütter über zahlreiche Ressourcen wie emotionale Nähe und ein großzügiges Zeitbudget und betonen die Wichtigkeit der sog. Werteerziehung. Die Mütter empfehlen anderen Frauen mit Behinderungen/chronischen Erkrankungen, ihren Unterstützungsbedarf klar zu benennen und weniger ängstlich zu sein, Hilfen anzunehmen. Sie selbst wünschen sich weniger bürokratische Hürden und mehr finanzielle Entlastungen, Unterstützung im Alltag und Betreuungsmöglichkeiten sowie medizinisch-therapeutische Weiterentwicklungen. Diskussion: Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass Elternschaft und Behinderung/chronische Erkrankung heutzutage keine Ausnahme mehr darstellt. In der Gestaltung der Mutterrolle erfahren behinderte/chronisch kranke Mütter vielfältige Unterstützung und wenig gesellschaftliche Ausgrenzung, was für eine zunehmende Toleranz gegenüber dieser Personengruppe spricht.