Gesundheitswesen 2010; 72 - P105
DOI: 10.1055/s-0030-1266612

Zahnärztliche Versorgung von Frauen nach häuslicher Gewalt – Eine Befragung niedergelassener Zahnärzt/innen in Berlin

M Hey 1, A Bettini Anibal Riedel 2
  • 1Berlin School of Public Health Charité, Berlin
  • 2Berlin School of Public Health, Berlin

Einleitung/Hintergrund: Häusliche Gewalt und körperliche Misshandlungen zählen weltweit und in allen sozialen Schichten zu besonderen Gesundheitsrisiken bei Frauen. Nach den Ergebnissen der bundesdeutschen Gewaltprävalenzstudie erlitt etwa jede fünfte lebende Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren in ihrem Leben mindestens einmal körperliche Verletzungen infolge von Gewalt. Ärzte/innen sind deshalb häufig die erste Anlaufstelle für betroffene Frauen. Aufgrund von Gewalteinwirkungen auf Gesicht, Kiefer und Zähne spielen auch Zahnärzt/innen eine wichtige Rolle in der Versorgung von Folgen häuslicher Gewalt. Niedergelassene Zahnärzt/innen in Berlin wurden nach Umfang des Problems und nach Umgang in dieser Versorgungsaufgabe befragt. Material/Methoden: Mit Unterstützung der Zahnärztekammer Berlin konnten alle als berufstätig gemeldeten Zahnärzt/innen in die Befragung eingeschlossen werden (Vollerhebung: N=3.200; Response 7,2%). Der Fragebogen umfasste 12 geschlossene Fragen zu folgenden Themen: Umfang häuslicher Gewalt, Umgang mit Patientinnen, die häusliche Gewalt erfahren haben, Informiertheit zum Thema häusliche Gewalt, Unterstützungswünsche sowie demografische Angaben. Die Daten wurden deskriptiv mit dem Software-Programm SPSS ausgewertet. Ergebnisse: 22,6% der befragten Zahnärzt/innen haben angegeben, dass sie in ihrer Praxis schon Kontakt mit Patient/innen hatten, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. 90% würden Patientinnen auf Grund von Verdachtssymptomen direkt ansprechen. 33% der Befragten schätzen ein, dass Sie Opfer häuslicher Gewalt selten bzw. nie erkennen, 37%, dass sie den Opfern keine angemessene Hilfe anbieten können Hinderungsgründe sind mangelnde Informationen zum Thema „Häusliche Gewalt“. 87% fühlen sich über das Thema und den Umgang mit Opfern unzureichend informiert. Als hilfreiche Angebote wurden Handlungsanleitungen, Hinweise auf Beratungsstellen und Empfehlungen zur gerichtsverwertbaren Dokumentation genannt. Weniger Interesse bestanden bei Fortbildungsveranstaltungen und interdisziplinären Qualitätszirkeln. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass niedergelassene Zahnärzt/innen Anlaufstellen für Frauen, die Gewalt erfahren haben, sein können. Durch eine verbesserte Vermittlung von Fachinformationen und Handlungsanleitungen kann diese Berufsgruppe Hilfestellungen geben. Berufskammern sollten Fortbildungsveranstaltungen anbieten. Zahnmediziner/innen sollten als Akteure in laufende Interventionsprogramme aktiv einbezogen werden.