Gesundheitswesen 2010; 72 - P88
DOI: 10.1055/s-0030-1266595

Ambulante Versorgung von Patienten mit Neurodermitis: Hohe Heterogenität im Verordnungsverhalten sowohl bei Dermatologen als auch bei Pädiatern

J Schmitt 1, W Kirch 2
  • 1Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden
  • 2Institut für Klinische Pharmakologie, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden

Hintergrund: Trotz hoher Prävalenz, Morbidität und gesundheitsökonomischer Bedeutung der Neurodermitis fehlen Daten über das Verordnungsverhalten der einzelnen Leistungserbringer. Material und Methoden: Datenbasis bildet eine Vollerhebung ärztlicher Leistungs- und Diagnosedaten der KV Sachsen und der AOK Sachsen im Zeitraum 2003/2004. Aus dem Kollektiv der insgesamt 257.347 Versicherten wurden 11.555 Patienten ermittelt, bei denen die Diagnose Neurodermitis (ICD-10 Code L20) mindestens 2-malig dokumentiert wurde. Anhand der Kohorte aller Dermatologen und Pädiater mit Kassenarztsitz und mit >3 betreuten Neurodermitispatienten im Untersuchungszeitraum wurde analysiert, welcher Anteil der Patienten mit Neurodermitis durch die unterschiedlichen Facharztgruppen mit topischen Kortikosteroiden, topischem Tacrolimus und topischem Pimecrolimus behandelt wurde und welchen Einfluss die Anzahl der betreuten Patienten mit Neurodermitis als Surrogat für die Spezialisierung auf das Krankheitsbild auf das Verordnungsverhalten hatte. Ergebnisse: Durchschnittlich wurden von den 71 im Untersuchungszeitraum tätigen Dermatologen 160 (5.-95. Perzentile 9–379 Patienten) und von den 175 Pädiatern 31 Neurodermitispatienten (5.-95. Perzentile 0–91 Patienten) betreut. Der mediane Anteil an Patienten, die mit topischen Kortikosteroiden, topischem Pimecrolimus und Tacrolimus behandelt wurden, betrug 43%, 5% und 1% bei Dermatologen und 35%, 21% und 0% bei Pädiatern. Es bestand eine ausgeprägte Heterogenität in der antiekzematösen Behandlung innerhalb der Fachdisziplinen. So variierte der Anteil an Neurodermitispatienten, die potente (Klasse-III) Kortikosteroide erhielten bei Dermatologen zwischen 0% und 58% und bei Pädiatern zwischen 0% und 80%. Die Unterschiede in der Behandlung der einzelnen Ärzte waren unabhängig vom Alter und Geschlecht der betreuten Patienten. Es bestand kein Zusammenhang von absoluter Patientenzahl und medianem Anteil an Patienten, die eine bestimmte antientzündliche Behandlung erhielten. Diskussion: Diese arztbezogene Analyse zeigt prägnante Unterschiede in der antiekzematösen Behandlung innerhalb der einzelnen Fachdisziplinen, die weder durch demographische Patientencharakteristika noch den Grad der Spezialisierung auf das Krankheitsbild Neurodermitis erklärbar sind. Indirekt deutet die Heterogenität der Behandlung auf ein Potenzial zur Optimierung der medizinischen Versorgung von Patienten mit Neurodermitis hin.