Gesundheitswesen 2010; 72 - P75
DOI: 10.1055/s-0030-1266582

Berufliche Reziprozität und depressive Symptome in Europa

A Höhne 1, E Mnich 1, O von dem Knesebeck 1
  • 1UKE Hamburg, Hamburg

Einleitung/Hintergrund: Depressionen sind weit verbreitet in modernen Gesellschaften, verursachen hohe Gesundheitskosten und werden durch soziale Faktoren (sozioökonomische Position, soziale Beziehungen, psychosozialer Stress am Arbeitsplatz) beeinflusst. Das Modell beruflicher Gratifikationskrisen thematisiert die sich gesundheitlich nachteilig auswirkende psychosoziale Arbeitsplatzgestaltung und konzentriert sich damit auf die Rolle von Reziprozität im beruflichen Kontext. Im Beitrag wird der Zusammenhang zwischen beruflicher Reziprozität und depressiven Symptomen im europäischen Kontext untersucht. Material und Methoden: Datenbasis der Untersuchung bildet der European Social Survey 2006, eine repräsentative Umfrage bei allen über 15-jährigen Einwohnern in 23 Europäischen Staaten (N=43.000). Berufliche Reziprozität wurde mit der Frage gemessen „Wenn ich an meinen Einsatz und all die erbrachten Leistungen bei meiner beruflichen Tätigkeit denke, halte ich mein Gehalt/meinen Lohn für angemessen.“ Alter, Geschlecht, Bildung, Beschäftigungsstatus und soziale Unterstützung dienen als Kovariaten in den logistischen Regressionsanalysen. Ergebnisse: Die durchschnittliche Depressionsrate in den untersuchten europäischen Ländern beträgt 22,3%, wobei die geringsten Werte in Norwegen (9,9%), Dänemark (10,9%) und der Schweiz (11,2%) und die höchsten Werte in Ungarn (41,4%), der Ukraine (40,5%) sowie in Portugal (38%) gemessen wurden. Die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse zeigen, dass ein Mangel an beruflicher Reziprozität in 13 von 22 Ländern signifikant mit depressiven Symptomen verbunden ist. Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Untersuchung deckt Länderunterschiede hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen beruflicher Reziprozität und depressiven Symptomen in Europa auf. Mangelnde berufliche Reziprozität zeigt in rund der Hälfte der untersuchten Länder signifikante Zusammenhänge mit dem Auftreten depressiver Symptome. Die zusätzliche Berücksichtigung sozialer Unterstützung in der multivariaten Analyse führt kaum zu Veränderungen in den Assoziationen zwischen beruflicher Reziprozität und depressiven Symptomen, was darauf hindeutet, dass es sich bei beruflicher Reziprozität und sozialer Unterstützung um unabhängige Konstrukte handelt, die unterschiedliche Aspekte hinsichtlich Belohnungen und sozialen Aktivitäten thematisieren.