Gesundheitswesen 2010; 72 - P52
DOI: 10.1055/s-0030-1266560

Auffälligkeiten bei Tramadol-Hochverbrauchern

K Kaboth 1, G Glaeske 1, F Hoffmann 1
  • 1Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik, Bremen

Einleitung/Hintergrund: Tramadol ist eines der verordnungsstärksten Schmerzmittel in Deutschland. Zwar ist eine analgetische Wirkung in Studien nachgewiesen (auch für Kombinationspräparate), aber es gibt auch kritische Anmerkungen zum Wirkstoff selber, zu dessen hohen Verordnungszahlen und grundsätzlich zu der WHO-Stufe II. Besonders der Tramadol-Hochverbrauch erscheint fragwürdig, zumal auch Missbrauch bekannt geworden ist. Die hier vorgelegte Studie evaluiert Verordnungsverläufe von Versicherten, bei denen ein Tramadol-Hochverbrauch vorliegt. Es sollen Hinweise dafür gegeben werden, welche Faktoren mit einem solchen Hochverbrauch assoziiert sind. Material und Methoden: Als Datengrundlage dienen pseudonymisierte GKV-Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse aus dem Jahr 2007. Für die vorliegenden Auswertungen werden speziell die Versicherten-Stammdaten, die Arzneimittel-Verordnungsdaten und die ambulanten Abrechnungsdaten genutzt. Aus einer definierten Grundgesamtheit von Erwachsenen (ab 18 Jahren), die mindestens einen Tag je Quartal versichert waren, werden zwei Gruppen gebildet und einander gegenüber gestellt: Tramadol-Hochverbraucher (>180 DDD im Jahr) vs. „Normalverbraucher“ (≤180 DDD im Jahr). Es werden die Geschlechts- und Altersverteilungen beschrieben, Häufigkeiten bezüglich verschiedener Schmerzdiagnosen sowie Komorbiditäten und ambulanter Arztkontakte aufgezeigt. Mit den Daten wird eine logistische Regression durchgeführt. Ergebnisse: Von 22.946 Versicherten mit Tramadol-Verordnungen konnten 7,9% als Hochverbraucher identifiziert werden. Im Vergleich zu den Normalverbrauchern sind Patienten mit Hochverbrauch etwas häufiger weiblich, weisen mehr ambulante Arztkontakte sowie unspezifische Schmerzdiagnosen (z.B. somatoforme oder andernorts nicht näher klassifizierte Schmerzen) und psychische Komorbiditäten (z.B. Depression, Abhängigkeitserkrankungen) auf. Keine Unterschiede fanden sich in der Verteilung spezifischer Schmerzarten (z.B. Rückenschmerzen, Krebsschmerzen, Kopfschmerzen). Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Tramadol-Hochverbraucher sind gekennzeichnet durch eine hohe Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen und durch psychische Komorbiditäten, was Hinweise auf einen möglichen Missbrauch dieser Substanz geben könnte. In der ambulanten Verordnung sollte ein besonderes Augenmerk auf diese Patienten gelegt und die Entscheidung der Tramadol-Verordnung kritisch überdacht werden.