Gesundheitswesen 2010; 72 - P3
DOI: 10.1055/s-0030-1266511

Alte und hochaltrige Patienten/-innen in innerstädtischen Notfallambulanzen

E Borde 1, T Borde 2, M David 3, B Babitsch 1
  • 1Berlin School of Public Health an der Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 2Alice Salomon Hochschule, Berlin
  • 3Charité Universitätsmedizin Berlin – Campus Virchow Klinikum – Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Berlin

Der wachsenden Zahl älterer Menschen steht eine defizitäre Datenlage gegenüber, die eine Anpassung möglicherweise veränderter Bedarfslagen gesundheitlicher Versorgung älterer Menschen kaum ermöglicht. Anhand dieser Untersuchung werden charakteristische Krankheitsbilder und die Nutzung von Notfallambulanzen durch ältere Patienten/-innen, Unterschiede zwischen alten (65–79-jährige) und hochaltrigen (über 80-jährige) Patienten/-innen sowie zeitliche Veränderungen (2002 Vs 2006) beschrieben. Mittels einer Sekundärdatenanalyse wurden Erste-Hilfe-Scheine in Bezug auf die Inanspruchnahme sowie klinische und demographische Merkmale alter (n=1494) und hochaltriger Patienten (n=1304) in den gynäkologisch/internistischen Notfallambulanzen des Berliner Vivantes Klinikums Neukölln und des Virchow Klinikums der Charité mit PASW Statistics 18 analysiert. Anhand des Variabilitätskoeffizienten nach Pearson (Chi2-Test) wurden Unterschiede zwischen den beiden Altersgruppen auf Signifikanz geprüft (p<0,05). Wahrscheinlichkeitsverhältnisse wurden durch logistische Regressionsanalysen bei einem korrespondierenden Konfidenzintervall von 95% berechnet. Alte und insbesondere hochaltrige Menschen sind in den untersuchten innerstädtischen Notfallambulanzen im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung deutlich überrepräsentiert. Zu den häufigsten ICD-10-Diagnosen in beiden Vergleichsgruppen zählten Herzkreislauf-, Atemwegs- sowie Magendarmerkrankungen. Obwohl die dokumentierten Beschwerden weitgehend den Diagnosen entsprachen, machten ‘andere' nicht zuordnungsbare Beschwerden ca. 11,5% aus. Die komplexe Symptomatik hatte umfassende Therapien zur Folge (häufige Nutzung diagnostischer Verfahren, hohe Anzahl an Mehrfachverschreibungen/-verabreichung von Medikamenten). Unterschiede zwischen den beiden Vergleichsgruppen ergaben sich besonders bei der erhöhten Prävalenz chronischer Erkrankungen bei Hochaltrigen (OR 1,5 2002/2006) und deren häufigeren stationären Aufnahme (OR 1,4/1,7 2002/2006). Der Vergleich der Untersuchungszeiträume (2002/2006) ergab u.a. einen Rückgang der Privattransporte bei Hochaltrigen um mehr als 50% und um etwa 15% bei den 65–79jährigen Patienten/-innen. Es ist davon auszugehen, dass bei alten und hochaltrigen Patienten/-innen in Notfallambulanzen ein hoher medizinischer Versorgungsbedarf besteht. Notfallambulanzen sind dabei eine wichtige Versorgungsinstanz, die auf die Inanspruchnahme mit umfassender Diagnostik und Medikalisierung reagiert. Der Rückgang der Privattransporte kann auf eine Veränderung in den privaten sozialen Netzwerken älterer Menschen hinweisen.