Gesundheitswesen 2010; 72 - V300
DOI: 10.1055/s-0030-1266506

Berücksichtigung von Komorbidität zur Schätzung indikationsbezogener Versorgungskosten auf der Basis von Sekundärdaten am Beispiel von Versicherten mit Rückenschmerzen

A Freytag 1, G Schiffhorst 1, M Thiede 1
  • 1IGES Institut, Berlin

Hintergrund: Anders als bei Primärdatenstudien ist die Ermittlung indikationsbezogener Versorgungs-kosten auf der Basis von Routineabrechnungsdaten gesetzlicher Krankenkassen nicht ohne Weiteres möglich. In diesen werden zu einem Versicherten sämtliche in Anspruch genommenen Leistungen (ambulant, stationär, Verordnungen von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Arbeitsunfähigkeit, Krankengeld) erfasst; von Interesse ist aber, inwieweit diese Leistungsinanspruchnahme auf die betrachtete Erkrankung oder auf andere Er-krankungen (hier zusammengefasst unter dem Begriff der Komorbidität) zurückgeht. Material und Methoden: Das Ziel der Abgrenzung indikationsbezogener Versorgungskosten haben wir mittels zweier unterschiedlicher Ansätze verfolgt. Basis waren die Routinedaten der Jahre 2006/2007 von 4,6 Mio. DAK-Versicherten. Die Berechnungen erfolgten für drei Diagno-segruppen, die wir als Rückenschmerztypen definieren: Schmerzen bei Bandscheibener-krankungen, andere spezifische Rückenschmerzen sowie nicht spezifische Rücken-schmerzen (Freytag et al., Identifikation und Gruppierung von Schmerzpatienten anhand von Routinedaten einer Krankenkasse, Der Schmerz, 1, 2010). Im ersten Ansatz wurden nur die in Anspruch genommenen Leistungen gewertet, die über relevante Diagnosen, schmerzbezogene Wirkstoffe oder die behandelnde Arztgruppe in Bezug zu Rücken-schmerzen stehen. Im zweiten Ansatz wurden die Einflüsse der Komorbidität auf die Ver-sorgungskosten innerhalb eines Jahres im Rahmen einer Regressionsanalyse geschätzt; die indikationsbezogenen Kosten resultieren aus einer Bereinigung der Gesamtkosten um die komorbiditätsinduzierten Kosten. Ergebnisse: Die regressionsanalytisch geschätzten indikationsbezogenen Versorgungskosten sind höher als die über den selektiven Leistungseinschluss ermittelten Kosten. Der Unter-schied ist hauptsächlich dadurch begründet, dass die Schmerztyp-Zuordnung im ersten Fall „unhierarchisch“ erfolgte (ein Versicherte kann mehreren Schmerztypen gleichzeitig zugeordnet werden), im zweiten Ansatz jedoch „hierarchisch“ (ein Versicherter wird nur einem – dem hypothetisch behandlungsleitenden – Schmerztypen zugeordnet). Anhand des regressionsanalytischen Ansatzes lässt sich für jeden Versicherten aufgrund seiner konkreten Komorbidität ein prognostischer indikationsbezogener Kostenwert ermitteln. Angewandt auf die hierarchische Schmerztypzuordnung ist er eher vergleichbar mit den Ergebnissen des ersten Ansatzes. Die Berechnungen hierzu erfolgen zur Zeit. Schlussfolgerung: In der betrachteten Anwendung zeigen sich das generelle Problem der Komorbiditätsbereinigung von Sekundärdatenanalysen sowie mögliche Lösungswege.