Gesundheitswesen 2010; 72 - V271
DOI: 10.1055/s-0030-1266473

Schlafdauer von europäischen Kindern – Länderunterschiede und Einflussfaktoren

S Hense 1, A Hebestreit 1, K Bamman 2, W Ahrens 1
  • 1Abteilung Epidemiologische Methoden und Ursachenforschung, Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Universität Bremen, Bremen
  • 2Abteilung Biometrie und EDV, Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, Universität Bremen, Bremen

Hintergrund: Aktuelle Studien legen einen Einfluss von Schlafdauer auf zahlreiche Gesundheitsfolgen bereits im Kindesalter nahe. Obwohl Informationen zur Schlafdauer von Kindern und Vorschläge für Referenzwerte für eine „normale“ Schlafdauer für verschiedene Altersgruppen und aus diversen Ländern vorliegen, sind diese Daten aufgrund methodischer Unterschiede nur bedingt vergleichbar und womöglich durch kulturelle Einflüsse verzerrt. Im Rahmen einer europäischen multizentrischen Studie untersuchten wir den Einfluss von diversen Faktoren auf die Schlafdauer von Kindern. Material und Methoden: Im Rahmen der IDEFICS-Studie wurden 16.224 Kindern im Alter von 2 bis 10 Jahren aus acht europäischen Ländern untersucht. Schlafdauer wurde mittels eines einheitlichen 24h-Recall-Interviews von den Eltern erfragt. Angaben zu persönlichen, psychosozialen, Verhaltens- und Umweltfaktoren wurden in Form eines standardisierten Elternfragebogens erhoben. Für den Vergleich der Schlafdauer in den teilnehmenden Ländern wurden Varianzanalysen durchgeführt, während für Alter, Geschlecht und Lebensstilfaktoren adjustierte Mittelwerte von Schlafdauer mithilfe linearer Regressionsmodelle berechnet wurden. Ergebnisse: Informationen zur Schlafdauer lagen von 8.542 Kindern vor. Die stärksten Effekte auf die Schlafdauer zeigten sich für Landeszugehörigkeit: adjustierte Mittelwerte der Schlafdauer reichten von 9,7h (99%-KI 9,6; 9,8) in Italien bis zu 11,2h (99%-KI 11,0; 11,3) in Belgien. Die Unterschiede zwischen den Ländern waren signifikant (p<0,001), wobei ein deutlicher Gradient zwischen Nord-, Ost- und Südeuropa mit der längsten Schlafdauer in Nordeuropa beobachtet werden konnte. Kindergartenkinder hatten eine um 14,9 Minuten (99%-KI 11,8; 18,0) längere Schlafdauer als Schulkinder, während der Zusammenhang mit Faktoren wie Fernseh- und PC-Konsum, körperlicher Aktivität, Bildungsniveau der Eltern, aber auch mit Geschlecht gering oder gar nicht vorhanden war. Diskussion: Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass das kulturelle Umfeld einer der Hauptfaktoren ist, welche die Schlafdauer von Kindern beeinflussen. Dies ist bei der Definition einer „normalen“ Schlafdauer zu beachten, wobei die Bewertung einer ausreichenden Schlafdauer sich auf gesundheitliche Endpunkte beziehen sollte.