Gesundheitswesen 2010; 72 - V256
DOI: 10.1055/s-0030-1266458

Schlaf- und gesundheitsbezogene Effekte von Nachtarbeit bei Beschäftigten der Gastronomie- und Bäckereibranche

R Seibt 1, S Ulbricht 1, A Seibt 2, B Hunger 3
  • 1Technische Universität Dresden, Dresden
  • 2THUMEDI-Präventionsmanagement GmbH, Thum-Jahnsbach
  • 3Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten ASD*BGN, Potsdam

Hintergrund: In der Gastronomie- (GA) und Bäckereibranche (BÄ) existieren unterschiedliche Arbeitszeitregime, von denen sich Schichtformen mit erhöhtem Nachtarbeitsanteil gesundheitsschädigend auswirken können. Daher wurde bei GA- und BÄ-Beschäftigten für arbeits-, schlaf- und gesundheitsbezogene Faktoren der Zusammenhang zu unterschiedlichen Nachtarbeitsanteilen (Nachtarbeits-Index) überprüft. Methodik: 122 GA- und 65 BÄ-Beschäftigte wurden anhand eines Nachtarbeits-Indexes drei Arbeitszeitgruppen (AZG) zugeordnet (ermittelt mit vierwöchigem Arbeitszeitprotokoll): AZG1 (20%): kein Nachtarbeitsanteil; AZG2 (43%): geringer Nachtarbeitsanteil [>0–2h]; AZG3 (37%): hoher Nachtarbeitsanteil [>2–7h]; Durchschnittsalter: AZG1: 33 Jahre, AZG2: 32 Jahre, AZG3; 38 Jahre; Frauenanteil: AZG1: 78%, AZG2: 65%, AZG3: 33%; Anteil BÄ: AZG1: 5%, AZG2: 12%, AZG3: 78%. Schichtzeiten, Schlafcharakteristika (Schlafstörungen, -qualität, -quantität) und Gesundheitsparameter (Fettstoffwechsel, Blutdruck (Hypertonie), PROCAM-Score, Sport, Rauchen, schichtbezogene Beschwerden) wurden im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen sowie schichtarbeitsspezifischer Anamnese- und Beschwerdenfragebögen erhoben. Ergebnisse: Im GA-Gewerbe arbeiten die Beschäftigten im Durchschnitt 1,1 Stunde, im BÄ-Gewerbe 2,8 Stunden (22–5 Uhr) pro Arbeitstag in Nachtarbeit (23–6 Uhr). Beschäftigte der AZG3 schlafen mit durchschnittlich 7,5±0,8 Stunden signifikant weniger als Beschäftigte mit geringeren Nachtarbeitsanteilen (p<0,001). Auswirkungen auf das Auftreten von Schlafstörungen, die Schlafqualität und -quantität ergeben sich dadurch nicht. In allen drei AZG berichten ein Drittel (33,7%) keine, 50% gelegentliche und 7% häufige Schlafstörungen. Zwischen Nachtarbeits-Index und Schlafstörungen (r=0,02–0,09) bzw. Gesundheitsparametern (r=-0,14 bis 0,16) bestehen – nach Auspartialisierung von Branche, Alter und Geschlecht – keine signifikanten Zusammenhänge. Schlussfolgerung: Die bekannten negativen schlaf- und gesundheitsbezogenen Effekte der Nacht- und Schichtarbeit wurden für die untersuchten Schichtarbeitsregelungen in der relativ jungen Stichprobe (34±11 Jahre) nicht festgestellt. Schlafverhalten und Gesundheitszustand unterscheiden sich zwischen Beschäftigten mit (AZG2; AZG3) und ohne Nachtarbeitsanteil (Normalschicht AZG1) nicht. Schichtbedingte Gesundheitsgefahren könnten sich bisher noch nicht manifestiert haben. Andererseits sind Schichtarbeiter über eine gesunde Lebensweise aufgeklärt, so dass Unterschiede im Gruppenvergleich maskiert sein können. Die Bedeutung sonstiger beruflicher und sozialer Einflussfaktoren bleibt ungeklärt. Die medizinischen Befunde (z.B. Anteil Hypertoniker) weisen dennoch auf Präventionsbedarf hin.