Gesundheitswesen 2010; 72 - V222
DOI: 10.1055/s-0030-1266414

Vollzähligkeitsschätzung der Krebsregister Saarland, Hamburg und Nordrhein-Westfalen mit dem MIAMOD-Programm

B Barnes 1, J Haberland 1, B Holleczek 2, A Nennecke 3, V Mattauch 4, K Kraywinkel 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin
  • 2Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz, Gesundheitsberichterstattung Saarland – Krebsregister, Saarbrücken
  • 33 Hamburgisches Krebsregister, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Hamburg
  • 44 Epidemiologisches Krebsregister NRW, Münster

Hintergrund: Die Vollzähligkeit der Erfassung von Krebsneuerkrankungen ist eine wichtige Kennzahl für die Bewertung der Aussagekraft von Daten aus epidemiologischen Krebsregistern. Seit vielen Jahren schätzt das Robert Koch-Institut (RKI) die Vollzähligkeit der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland anhand einer international anerkannten Methode, die unter der Annahme der überregionalen Stabilität des Verhältnisses zwischen Inzidenz und Mortalität die erwartete Zahl von Krebsneuerkrankungen in Abhängigkeit von der krebsspezifischen Mortalität in den zu prüfenden Regionen berechnet. Dieses Verfahren erfordert Daten aus einem Referenzregister, dessen Erfassung als vollzählig angenommen wird. Für Deutschland dient bisher das Epidemiologische Krebsregister Saarland als Referenz. Das Programmpaket MIAMOD wurde am Istituto Superiore di Sanità in Rom entwickelt, um auf der Basis von Age-Period-Cohort-Modellen die Krebsinzidenz und Prävalenz aus der Mortalität und dem relativen Überleben zu berechnen. Methoden: Relative Überlebenswahrscheinlichkeiten wurden aus den Krebsregisterdaten mit dem Statistikpaket R und dem frei verfügbaren „periodR“-Paket berechnet. Allgemeine und lokalisationsspezifische Mortalitätsdaten stammen aus der amtlichen Todesursachenstatistik. Mithilfe von MIAMOD wurden für mehrere Krebslokalisationen für die Bundesländer Hamburg und Saarland sowie den Regierungsbezirk Münster erwartete Fallzahlen für Neuerkrankungen von 1992–2006 ermittelt. Anhand der erwarteten und der tatsächlich erfassten Inzidenz konnte damit die Vollzähligkeit der Register bezüglich der ausgewählten Krebslokalisationen untersucht und (für Hamburg und Münster) mit den bisherigen Vollzähligkeitsschätzungen des RKI verglichen werden. Ergebnisse: Die Schätzungen mit MIAMOD bestätigen eine hohe Vollzähligkeit der Erfassung des Epidemiologischen Krebsregisters Saarland. Obwohl die mit MIAMOD geschätzte Vollzähligkeit der Register in Hamburg und Münster den Schätzungen aus dem RKI ähnlich sind, zeigen sich Unterschiede bei Einzellokalisationen. Fazit: Das Programmpaket MIAMOD ermöglicht eine Analyse der Vollzähligkeit von Krebsregistern ohne die für die RKI-Methode verwendeten o.g. Annahmen unter der Voraussetzung des Vorliegens valider Überlebensraten für die Untersuchungsregionen. Abweichungen zwischen den beiden Schätzmethoden könnten auf länderspezifische Unterschiede des Verhältnisses zwischen Inzidenz und Mortalität hinweisen.