Gesundheitswesen 2010; 72 - V171
DOI: 10.1055/s-0030-1266351

Erreichbarkeit von Frauenarztpraxen mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Vorpommern

C Berlin 1, D Fredrich 1, N van den Berg 1, K Fendrich 1, J Piegsa 2, W Hoffmann 1
  • 1Institut für Community Medicine, Universität Greifswald, Greifswald
  • 2Berufsbildungswerk, Bereich IT/Medien, Greifswald

Hintergrund: In Mecklenburg-Vorpommern werden als Folge des demographischen Wandels medizinische Infrastruktureinrichtungen zunehmend räumlich zentralisiert. Dies führt für Teile der ländlichen Bevölkerung zu einer Verschlechterung der Erreichbarkeit. Der ÖPNV stellt für viele ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität ein wichtiges Transportmittel dar. Jedoch wird der ÖPNV in ländlichen Räumen größtenteils nur noch als Schulverkehr mit einer demzufolge geringen zeitlichen Taktung eingesetzt. Ziel dieser Studie ist es, am Beispiel der Frauenarztpraxen die Erreichbarkeit von medizinischen Versorgungseinrichtungen mit dem ÖPNV zu ermitteln. Material und Methoden: Datenbasis sind Adresskoordinaten aller niedergelassenen Gynäkologen in Vorpommern, Fahrpläne aller in der Studienregion tätigen Verkehrsunternehmen, Koordinaten aller Haltestellen, routingfähige Straßendaten (Fa. Tele Atlas, Gent) sowie Adresskoordinaten der Probandinnen (N=1.670, Alter: 25–88 Jahre) der prospektiven populationsbasierten Study of Health in Pomerania (SHIP-1: 5-Jahres-follow-up, 2001–2006). Mithilfe einer selbst entwickelten Software wird die Reisezeit mit dem ÖPNV unter Berücksichtigung von Fußwegen vom Wohnort jeder SHIP-Probandin zum nächstgelegenen Frauenarzt berechnet. Ergebnisse: Unter Berücksichtigung einer 12km breiten Zone um die Studienregion wurden 47 Frauenärzte und 2.394 Bus- und Bahnhaltestellen in die Analyse einbezogen. Unter a priori Annahmen (max. Fußweglänge: 500m; Hinfahrt: zwischen 7 und 11 Uhr; Rückfahrt: ab 12 Uhr bis 24 Uhr) benötigten 65,5% der insgesamt 1.670 Probandinnen mit dem ÖPNV durchschnittlich 26,5 Minuten (SD:14,7; Maximum: 95,5) für den Hinweg und 49,8 Minuten (SD: 42,7; Maximum: 227,4) (inkl. Wartezeit an Einstiegshaltestelle) für den Rückweg. Für weitere 17,8% der Probandinnen liegt der Arzt in fußläufiger Erreichbarkeit. Die übrigen 272 (16,3%) der Probandinnen erreichten die nächstgelegene Frauenarztpraxis weder zu Fuß noch mit dem ÖPNV. Schlussfolgerungen: Die verwendete Methode kann als Instrument für regionale Planungsverbände, Verkehrsbetriebe und für die Praxis-Standortplanung sowie zur Entwicklung neuer Versorgungskonzepte eingesetzt werden. Die Studie bildet die Grundlage für versorgungsepidemiologische Analysen zum Zusammenhang zwischen Erreichbarkeit und Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen sowie zu Auswirkungen auf gesundheitsbezogene Endpunkte.