Gesundheitswesen 2010; 72 - V170
DOI: 10.1055/s-0030-1266350

Deprivation und Mortalität: Entwicklung eines regionalen „Index Multipler Deprivation“ auf Gemeindebasis am Beispiel Bayerns

W Maier 1, A Mielck 1
  • 1Institut für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen, Helmholtz Zentrum München, Neuherberg

Hintergrund: Es ist unbestritten, dass sozioökonomische Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf Gesundheitszustand und Sterblichkeit einer Bevölkerung haben und dass sowohl Sozialstruktur als auch Morbidität und Mortalität räumlich unterschiedlich ausgeprägt sind. Welchen Einfluss der sozioökonomische Status einer Region auf die Gesundheit seiner Bewohner ausübt, wurde allerdings bisher in Deutschland kaum untersucht. Das Ziel dieser Analyse besteht darin, einen möglichen kleinräumigen Effekt des Deprivationsgrades einer Region zu operationalisieren und am Beispiel der Mortalität der bayerischen Bevölkerung zu demonstrieren. Material und Methoden: Auf der Grundlage von demographischen, sozioökonomischen und umweltrelevanten Variablen der amtlichen Statistik auf Gemeindeebene bildeten wir erstmalig in Deutschland ein mehrdimensionales Konstrukt, einen sogenannten „Index Multipler Deprivation“ (IMD) nach britischem Vorbild. In diesem Konstrukt werden die Indikatoren thematisch in Dimensionen zusammengefasst. Für jede der gerankten 2.056 Gemeinden und kreisfreien Städte in Bayern wurden Scores für den Deprivationsstatus der Gemeinde berechnet und mittels einer GIS-Software visualisiert. Zur Bildung des IMD verwendeten wir die statistischen Verfahren der Faktorenanalyse und der Exponentialtransformation. Um den Einfluss des Gemeindestatus auf die Mortalität seiner Bewohner zu evaluieren, errechneten wir die standardisierte Mortalitätsratio sowohl für die vorzeitige Sterblichkeit (<65 Jahre) als auch für die Gesamtsterblichkeit und führten anschließend eine Korrelationsanalyse durch. Ergebnisse: Rund 7% in der Streuung der vorzeitigen Mortalität (r2=0,07) und 4% der Streuung in der Gesamtmortalität (r2=0,04) erklären sich durch die lineare Abhängigkeit mit dem Grad der kommunalen Deprivation. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass zwischen Mortalität und Deprivationsgrad der Gemeinde ein Zusammenhang besteht. Schlussfolgerungen: Mithilfe des Index Multipler Deprivation konnte ein kleinräumiger Einfluss auf die Sterblichkeit der Bevölkerung gezeigt werden. Der IMD stellt ein valides und flexibles Instrument zur Operationalisierung dieses regionalen Effekts dar. Er kann in Regressionsmodellen, insbesondere in Multilevel-Analysen, sowie bei fehlenden sozioökonomischen Individualdaten eingesetzt werden.