Gesundheitswesen 2010; 72 - V159
DOI: 10.1055/s-0030-1266339

Rauchverhalten von Jugendlichen. Eine migrantensensible Betrachtung

M Brünger 1, J Butler 2
  • 1Berlin School of Public Health, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
  • 2Bezirksamt Mitte von Berlin, Berlin

Einleitung: Rauchen stellt mit jährlich 110.000 bis 140.000 vorzeitig an direkten Folgen des Tabakkonsums sterbenden Menschen das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland dar. Für zielgruppenspezifische Präventionsprogramme sind genaue Kenntnisse des Rauchverhaltens in Abhängigkeit von möglichen Determinanten erforderlich. Obwohl jeder vierte Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren einen Migrationshintergrund hat, sind Studien zum Tabakkonsum einzelner Herkunftsgruppen rar. Es gibt Hinweise, dass Jugendliche türkischer und arabischer Herkunft einen geringeren Zigarettenkonsum aufweisen als deutsche Jugendliche. Diese Studie hat daher zum Ziel, das Rauchverhalten von Jugendlichen herkunftsgruppenspezifisch zu beschreiben. Hierfür werden Jugendliche deutscher, türkischer und arabischer Herkunft verglichen. Methoden: Von September 2007 bis April 2008 wurde eine Querschnittsuntersuchung an 501 Zehntklässlern im Bezirk Mitte von Berlin durchgeführt. Shishakonsum wurde über die Lebenszeitprävalenz, Zigarettenrauchen zudem über Prävalenz und Frequenz des aktuellen Konsums operationalisiert. Daneben wurden Gründe zum Rauchen und Nichtrauchen sowie Einstellungen der Eltern zum Rauchen ihrer Kinder erhoben. Inferenzstatistisch wurde das Rauchverhalten mit χ2-Tests nach Pearson und binären logistischen Regressionen geprüft. Bei rechtszensierten Daten wurden Log rank-Tests und Cox-Regressionen durchgeführt. Ergebnisse: Das Rauchverhalten unterschied sich in Abhängigkeit vom Migrationsstatus. 46% der deutschen Jugendlichen, jedoch nur 31% der türkischstämmigen und 24% der arabischstämmigen Jugendlichen rauchten zum Untersuchungszeitpunkt Zigaretten. Für das Shisharauchen zeigte sich bei Jungen ein inverses Bild: 83% der Jungen arabischer Herkunft gegenüber 70% türkischstämmiger und 52% deutscher Jungen sammelten bereits Erfahrungen mit der Wasserpfeife. Weiterhin zeigten sich für Jugendliche türkischer und arabischer Herkunft im Vergleich zu deutschen Jugendlichen strengere Einstellungen der Eltern zum Rauchen ihrer Kinder und eine größere Bedeutung des Glaubens als Grund zum Nichtrauchen. Diskussion: Die Ergebnisse dieser Arbeit belegen die weite Verbreitung des Rauchens unter Jugendlichen. Die herkunftsgruppenspezifische Analyse unterstreicht die Bedeutung einer migrationssensiblen Gesundheitsberichterstattung und daraus abgeleiteter zielgruppenorientierter Interventionen. Präventionsprogramme sollten Hinweise auf Gefahren und Folgen des Shishakonsums beinhalten und frühzeitig vor dem durchschnittlichen Einstiegsalter von 13,5 Jahren für Zigarettenkonsum und 14,5 Jahren für Shisharauchen beginnen.