Gesundheitswesen 2010; 72 - V81
DOI: 10.1055/s-0030-1266255

Diabetes und Herzinfarkt: Wissensdefizite in der Bevölkerung und bei Betroffenen trotz langjähriger Informationsarbeit

W Werse 1, D Tschöpe 2, K Hertrampf 2
  • 1Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW, Düsseldorf
  • 2Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Bad Oeynhausen

Hintergrund: Diabetiker haben ein doppelt so hohes Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten. Körperliche Inaktivität gilt neben Adipositas als ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes. Obwohl diese und andere Fakten immer wieder kommuniziert werden, scheinen sie in weiten Bevölkerungskreisen – und das gilt auch für die Diabetiker selbst – nicht bekannt oder führen zu keinen Verhaltensänderungen. Methoden: Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (LIGA.NRW) hat mit der Stiftung „Der herzkranke Diabetiker“ (DHD) am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen 2008 bzw. 2009 CATI-Bevölkerungsbefragungen zu Diabetes und Herz durchgeführt: Im Rahmen des jährlich durchgeführten telefonischen NRW Gesundheitssurveys wurde eine repräsentative Stichprobe der erwachsenen Bevölkerung (N=2000) im Land auch zum Thema Diabetes befragt. Parallel zu dieser Befragung wurde durch telefonische Interviews eine für NRW repräsentative Stichprobe von erwachsenen Diabetikern (N=505) befragt. Diesen wurden neben den Diabetesfragen aus der NRW-Untersuchung auch solche zur Versorgung und Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen für Diabetiker gestellt. Ergebnisse: Die Ergebnisse haben die Ausgangsvermutung bestätigt:

  • Risikofaktoren für eine Herzerkrankung wie Hypertonie oder Hyperlipidämie, die man medizinisch gut behandeln kann, werden nur von jedem 20. Befragten benannt.

  • Nur die Hälfte der Befragten nennt typische Symptome eines Herzinfarktes.

Diabetiker sind in beiden Fällen nicht besser informiert als die Allgemeinbevölkerung, obwohl die Hälfte aller Diabetiker am Infarkt verstirbt. Die Daten weisen Handlungsbedarf insbesondere bei bestimmten sozialen Gruppen auf:

  • Menschen mit Migrationshintergrund können weniger häufig wichtige Risikofaktoren für den Herzinfarkt nennen.

  • Nur ca. 90% der befragten Diabetiker aus Unter- bzw. Mittelschicht haben Diabetes als Herzinfarktrisiko nicht benannt.

Schlussfolgerungen: Der Informationsstand ist in weiten Kreisen der Bevölkerung trotz vielfältiger Informationskampagnen immer noch mangelhaft. Insbesondere bei sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie auch bei Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Die Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit auf, Kampagnen zielgruppenspezifisch und mehrsprachig auszurichten sowie vorhandene soziale Beziehungen und Netzwerke zu nutzen. Ärzte und andere Multiplikatoren sind für ihre Beratungstätigkeit für unterschiedliche Zielgruppen fortzubilden.