Gesundheitswesen 2010; 72 - V21
DOI: 10.1055/s-0030-1266185

Stress ist stärker mit dem Auftreten einer Migräne als dem von Spannungskopfschmerzen assoziiert: Ergebnisse einer populations-basierten Studie bei jugendlichen Gymnasiasten

A Milde-Busch 1, A Blaschek 2, F Heinen 2, A Straube 2, R von Kries 2
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin
  • 2Ludwig-Maximilians-Universität, München

Hintergrund: Stress stellt auch bei Jugendlichen einen der wichtigsten Einflussfaktoren für Kopfschmerzen dar. Bisherige Studien untersuchten meistens spezifische Stressoren, z.B. Ausmaß der Hausaufgaben oder soziale Konflikte, weniger das subjektive Stresserleben der Schüler, welches auf zu hohe Anforderungen oder auf einen Mangel an Bedürfnisbefriedigung zurückgeführt werden kann. Ziel der Studie war, Zusammenhänge zwischen chronischem Stresserleben und Migräne sowie Spannungskopfschmerzen bei Jugendlichen zu untersuchen. Material und Methoden: Jugendliche Gymnasiasten der 10. und 11. Klassen bearbeiteten Fragebögen zu Schmerzen und Beschwerden sowie ihren Lebensumständen. Chronisches Stresserleben wurde mit dem Trierer Inventar zum chronischen Stress (Dimensionen: schulische Überlastung, soziale Überlastung, Erfolgsdruck, Arbeitsunzufriedenheit, Überforderung in der Schule, Mangel an sozialer Anerkennung, soziale Spannungen, soziale Isolation, chronische Besorgnis) erhoben. Migräne und Spannungskopfschmerzen wurden entsprechend den Kriterien der International Headache Society unterschieden. Multiple lineare Regressionen mit Adjustierung für Geschlecht und Klassenstufe wurden berechnet, um Unterschiede in den Stress-Scores (in T-Werten: Mittelwert 50, Standardabweichung 10) zu bestimmen, die auf Migräne bzw. Spannungskopfschmerzen zurückzuführen sind. Ergebnisse: 1.260 Fragebögen wurden ausgewertet. 10,2% der Schüler litten unter Migräne, 48,7% unter Spannungskopfschmerzen und 19,8% unter Migräne und Spannungskopfschmerzen. Für Schüler mit Migräne sowie Schüler mit Migräne und Spannungskopfschmerzen wurden im Vergleich zu Schülern ohne Kopfschmerzen erhöhte Stress-Scores in allen untersuchten Dimensionen gefunden (v.a. schulische Überlastung: +7,0 bzw. +3,7, Überforderung in der Schule: +6,2 bzw. +5,2, Mangel an sozialer Anerkennung: +7,3 bzw. +4,6, chronische Besorgnis: +7,3 bzw. +5,1). Dagegen wurden inkonsistente und schwächere Assoziationen für Schüler ermittelt, die nur Spannungskopfschmerzen berichteten (Arbeitsunzufriedenheit: +2,2, Überforderung in der Schule: +2,2, Mangel an sozialer Anerkennung: +2,1, chronische Besorgnis: +1,7). Diskussion: Diese systematische Untersuchung von Unterschieden im chronischen Stresserleben zeigt, dass Schüler mit Migräne in stärkerem Ausmaß und durch mehr Stressoren beeinflusst werden als Schüler mit Spannungskopfschmerzen. Das bedeutet, dass jugendliche Migräne-Patienten mehr von stresstherapeutischen Interventionen profitieren könnten als Jugendliche mit Spannungskopfschmerzen.