Dtsch Med Wochenschr 1929; 55(40): 1659-1663
DOI: 10.1055/s-0028-1127322
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Leitung der Geburt bei Engem Becken1)

Stefan v. Tóth
  • o. ö. Professor und Direktor der II. Frauenklinik der kön. ung. „Pázmány Péter” Universität zu Budapest
1) Vorgetragen in der Universitäts-Frauenklinik in Breslau (Direktor: Prof. L. Fraenkel), anläßlich der „Ungarisch-Deutschen Gelehrten-Woche in Breslau”, am 2. VII. 1929.
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Publication Date:
13 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Grundlage der Abhandlung bildet die Stoeckel sche Einteilung, die das enge Becken in zwei große Gruppen teilt, je nachdem die spontane Geburt möglich ist oder nicht. Gemäß der Statistik von 25 000 an der Klinik des Vortragenden beobachteten Geburten ist unter einer Conjugata vera von 8 cm die Geburt nie spontan verlaufen. Dies ist demnach die Grenze zwischen den beiden Gruppen. Die Bestimmung des Vorgehens ist am einfachsten bei den sogenannten absoluten Verengungen, wo die Geburt unbedingt mit Umgehung der Geburtswege (Kaiserschnitt) zu beenden ist. Den prophylaktischen künstlichen Abort hält Vortragender bei den heutigen Erfolgen des Kaiserschnittes für unrichtig. Nach 2, eventuell 3 Geburten muß die Tubensterilisation erwogen werden. Im Falle einer Verengung 3. Grades nach der Litzmann schen Einteilung kommt bei lebendem Kinde wieder nur der Kaiserschnitt in Frage, bei totem Kinde zerstückelnde Operation. Hier ist eine prophylaktische Operation noch weniger am Platze. So große Verengungen sind auch in der Klinik Seltenheiten, der praktische Arzt soll solche Fälle der Klinik zuweisen.

Für den praktischen Arzt ist die 2. Gruppe von viel größerem Interesse, nämlich jene, wo die Geburt in 70—80% der Fälle spontan verlaufen kann.

Einst dominierten die prophylaktischen Verfahren: Die künstliche Frühgeburt, die Wendung nach Schröder, beide dienten nur wenig den Interessen des Kindes. Wenig Erfolge hatte auch die Prochowniksehe Diät. Heute bei der Vollkommnung der chirurgischen Verfahren ist bei der Leitung der Geburt mit engem Becken der Konservativismus zur Geltung gekommen; wir gehen exspektativ vor und greifen bloß ein, wenn die Geburt stockt, und zwar bei Wehenschwäche mit chemischen Mitteln (Chinin, vorsichtige Anwendung von Hypophysenpräparaten) ferner Anwendung der Hofmeier schen Impression, der Kristeller schen Expression, der Zange, der hohen Zange; besonders kann die Kielland - Zange gelobt werden.

Zur Beseitigung des räumlichen Mißverhältnisses dient außer den erwähnten prophylaktischen Verfahren die Symphyseotomie, die Perforation. Endlich wird das Leben des Kindes am sichersten durch die verschiedenen Formen des Kaiserschnittes gewahrt; unter diesen ist die vorteilhafteste die in reinen Fällen ausgeführte Sectio caesarea transperitonealis cervicalis.

Wenn bei der Geburt mit engem Becken die Ruptur droht, so muß in der allgemeinen Praxis auch das lebende Kind perforiert werden, im Gebärhause wird der chirurgische Eingriff gemacht. Wenn die Geburt wegen schwerer intrauteriner Infektion rasch beendet werden muß, so ist, abgesehen von seltenen Ausnahmefällen, auch im Gebärhause nach der erfolglos angewendeten hohen Zange das ohnehin sterbende Kind zu perforieren. Eine Ausnahme kann vom sozialen Standpunkte aus eine 43—44jährige Erstgebärende, oder eine kinderlose Frau bilden, wo sich große Interessen an das lebende Kind knüpfen. In solchem Falle kann eventuell durch Anfertigung einer uteroabdominalen Fistel das Kind gerettet werden und kann auch die Gesundung der Mutter erhofft werden.

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