Dtsch Med Wochenschr 1955; 80(11): 376-380
DOI: 10.1055/s-0028-1116426
Therapie

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Behandlung der kindlichen Tuberkulose mit Isonikotinsäurehydrazid

W. Plettenberg
  • Kinderklinik der Stadt. Krankenanstalten Essen (Chefarzt: Prof. Dr. Otto Bossert)
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Publication Date:
04 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Der vorliegenden Mitteilung liegt ein Krankengut von 182 Kindern der Stadt. Kinderklinik Essen zugrunde, die in den Jahren 1952/53 und 1954 mit INH behandelt worden waren.

Im Kindesalter ist INH besser verträglich als im Erwachsenenalter. Nebenerscheinungen fehlen.

Es wird heute grundsätzlich nur in Kombination mit anderen Tuberkulostatika, vor allem Streptomycin, angewandt, und zwar in einer Dosierung von 10 mg/kg/die per os.

Bei Meningitis tuberculosa (58 Kinder) verabreichten wir die intralumbale Streptomycin-INH-Mischspritze, INH per os und Streptomycin i.m.; bei alleiniger Anwendung von INH wurde in einem Falle nach 8 Monaten ein Rezidiv gesehen, bei einem mit INH und PAS behandelten Kinde trat noch während der Behandlungszeit ein Rezidiv auf. Ein Wiederauftreten einer Meningitis tuberculosa sahen wir bei der Streptomycin- und INH-Behandlung der Kinder bis heute nicht.

Bei der Miliartuberkulose der Säuglinge und älterer Kinder wenden wir ebenfalls Streptomycin und INH an. Dabei verabreichen wir Streptomycin nur für die Dauer von 30 Tagen und ersetzen es später durch PAS. Röntgenologisch bilden sich die miliaren Herde der Lunge in kurzer Zeit zurück.

An kavernöser Lungentuberkulose litten 8 Kinder im Alter zwischen 10 und 14 Jahren. Die Appetit anregende Wirkung des Medikamentes macht sich in diesen Fällen besonders bemerkbar. Hohlräume der Lunge sind nicht nur durch kombinierte Behandlung zu beeinflussen, sondern Pneumothorax und operative Versorgung behalten weiterhin ihre Bedeutung.

Bei 29 Kindern, meistens Kinder im „Kriechlingsalter”, traten Verschattungen ganzer Lungenlappen auf. Da bei einigen Kindern zu diesem Zeitpunkt im Sputum oder Magennüchternsaft Tuberkelbakterien nachgewiesen wurden, muß an eine Lymphknotenperforation ins Bronchialsystem oder an eine Verlegung des zugehörigen Bronchus durch geschwollene Lymphknoten gedacht werden. Diese Vorgänge sind unserer Ansicht nach ernst zu nehmende Komplikationen, die sich seit Beginn der Kombinationstherapie zu häufen scheinen.

Diese Verschattungen bilden sich ohne medikamentöse Behandlung schneller zurück als nach tuberkulostatischer Therapie.

Es erhebt sich die Frage, ob wir weiterhin berechtigt sind, komplikationslose Primoinfektionen mit Streptomycin und INH zu behandeln.

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