DO - Deutsche Zeitschrift für Osteopathie 2023; 21(03): 20-22
DOI: 10.1055/a-2068-1361
Praxis | Interview

Im Gespräch mit … Jan Petrus Koop und Christina Steele

Der Heilpraktiker Jan Petrus Koop D.O. und die Ärztin Dr. Christina Steele D.O. sind Osteopathen – ein Deutscher und eine Amerikanerin, miteinander verheiratet, sie arbeiten sowohl in Deutschland als auch in den USA. Sie haben eine osteopathische Praxis in einem Vorort von Washington D. C. und unterrichten 4 Monate im Jahr in Deutschland das biodynamische Curriculum nach Dr. Jealous D.O.

Wie war euer Werdegang zum Osteopathen unter diesen unterschiedlichen Voraussetzungen, du, Christina, warst in den USA, du, Jan Petrus, in Deutschland?

Jan: Ich habe meine Reise als Physiotherapeut begonnen und danach mit manueller Therapie weiter gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass es noch mehr geben muss, einen tieferen Weg, um die Heilung des Patienten zu erreichen. Die Tür tat sich auf, als ich zu einem Seminar der späteren SKOM eingeladen wurde. Dort berührte etwas mein Herz und ich wusste, dass die Osteopathie mein Weg ist.

Die deutsche osteopathische Teilzeitausbildung setzt eine medizinische Vorbildung und Patientenerfahrung voraus, es gibt ein intensiveres Hands-on-Training, mit vielleicht besseren Kenntnissen in der kranialen und viszeralen Osteopathie. In der schulmedizinischen Ausbildung sind wir allerdings im Vergleich zu der Ausbildung in den USA hinten dran. Der Vorteil der dortigen DO-Ärzte ist, dass sie auch akute Krankheiten sehen und sowohl schulmedizinisch als auch osteopathisch behandeln.

Während meiner Ausbildung und auch danach – insbesondere als Fakultätsmitglied beim SCCO – spürte ich beim Behandeln oft Muster und Rhythmen, die nicht zum unterrichteten Sutherland-Modell passten. Auf einem VOD-Kongress sprach Dr. Jealous über die verschiedenen Rhythmen und beschrieb viele dieser von mir gefühlten Phänomene – Rhythmen, die viel langsamer waren und die in der Stille verschiedener Landschaften zu spüren waren. Ich wusste sofort, dass ich in die USA reisen musste, um bei ihm zu lernen. Damit begann eine fast 20-jährige Beziehung mit einem wunderbaren Lehrer und Mentor. Es war eine große Ehre, von ihm gelernt zu haben.

Wir mussten bei Dr. Jealous mindestens 60 Kurse absolvieren, bevor wir für eine Lehrtätigkeit in Frage kamen. Ich arbeitete also viel als Assistent, bevor ich 2013 mit dem Unterrichten des biodynamischen Phasencurriculums begonnen habe ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Christina Steele und Jan Petrus Koop. Quelle: Christina Steele, Jan Petrus Koop.

Christina: Ich wusste schon seit meiner Grundschulzeit, dass ich als Ärztin arbeiten wollte, hatte allerdings von Osteopathie noch nie etwas gehört. Während meiner Sommerferien an der High School machte ich ein Praktikum bei einem Arzt, der seine Patienten behandelte, indem er seine Hände benutzte. Er war Arzt für Osteopathie und ich begann, mich dafür zu interessieren. Während meines Vollzeitstudiums am College of Osteopathic Medicine of the Pacific konnte ich ein Fellowship absolvieren und 3 Jahre lang mit Viola Frymann arbeiten. Während dieser Zeit lernte ich Irvin Korr, Harold Magoun jr. und viele andere kennen und habe – wie auch Jan – vieles gespürt, was ich mir damals nicht erklären konnte. Ich habe das Gefühl, dass ich zu Jim Jealous geführt wurde: In meinem 1. Ausbildungsjahr hatte ich mir die Nase gebrochen, musste aber am nächsten Tag eine sehr wichtige Anatomieprüfung ablegen. Ich hatte keine Zeit, einen Arzt aufzusuchen, aber mir wurde gesagt, dass eine Gruppe von Ärzten vielleicht Zeit für mich hätten. Es waren Dr. Hagopian und Joe Grasso, beide Studenten von Dr. Jim Jealous. Sie richteten meine Nase und gaben mir eine biodynamische Behandlung. Ich hatte noch nie etwas so Schönes gespürt. Es begann eine lange Beziehung und Mentorenschaft mit Jim Jealous. Ich besuchte die Kurse bei ihm in den White Mountains (New Hampshire), er sprach über das Erbe der Osteopathie, wie es sich Dr. Still und Dr. Sutherland vorgestellt hatten, über die spätere Arbeit von Dr. Sutherland und beschrieb Rhythmen, die es in der Natur gibt, die viel langsamer und tiefer sind als die, die wir in der Ausbildung gelernt hatten. Zudem zeigte er auf, wie wir diese Verbindung zu unserer Gesundheit ausdrücken können, wenn wir neutral als Tor zum Beginn der Behandlung und nicht als Endziel einer Behandlung sehen. Jim Jealous lehrte mich, in Beziehung zu meiner eigenen Gesundheit zu leben, was mir half, die raue Welt der Arbeit im Krankenhaus als Assistenzärztin zu überleben. Ich schloss meine Ausbildung in einem osteopathischen Krankenhaus in Maine zu ab, um in der Nähe von ihm zu sein.

Schließlich eröffnete ich meine erste Praxis in Maine, wo ich als Hausärztin für alle Krankheiten zuständig war. Jeder Patient erhielt eine Hands-on-Behandlung. Ich stellte fest, dass ich oft keine Medikamente verschreiben musste. Die Osteopathie gab mir ein ganz anderes diagnostisches Instrumentarium an die Hand, das meinen Patienten zugutekam. Mit unseren Händen können wir feststellen, ob ein Patient über genügend therapeutisches Potenzial verfügt, um ein medizinisches Problem zu lösen, oder ob sein System so überkompensiert ist, dass eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist, bis er eine Beziehung zu seiner Gesundheit herstellen kann. Später zog ich in die Nähe von Washington D. C. und eröffnete dort eine Praxis. Ich besuchte kontinuierlich Weiterbildungen bei Jim und wurde schließlich gebeten, der Fakultät beizutreten und in den USA zu unterrichten.

Wie gebt ihr der Osteopathie etwas zurück – außerhalb des Patientenalltags?

Christina: Osteopathie ist für uns mehr als ein Beruf, sie ist eine Art, das Leben zu betrachten. Jan gab und gibt meiner Meinung etwas zurück, indem er Studiengruppen und die osteopathische Kindersprechstunde in Hamburg leitete, er ist Dozent beim SCCO sowie bei Biodynamics und war beim VOD engagiert.

Jan: Ich war einige Jahre als VOD-Beirat aktiv, das waren spannende Zeiten, wir arbeiteten z. B. an dem Kinder-Qualitätssymbol und an der Akademisierung. Christina war bis letztes Jahr Präsidentin der Maryland Osteopathic Association und hielt Vorlesungen zur osteopathischen Medizin. Sie war Teil einer medizinischen und osteopathischen Mission in Nepal und gehört zum Lehrkörper von Biodynamics. Jetzt leiten wir gemeinsam Studiengruppen, um Osteopathen auf der ganzen Welt bei der Behandlung von Long Covid und bei Impfreaktionen zu helfen, wir entwickeln gerade eine Website und ein Gemeinschaftsforum für biodynamische Osteopathen.

Christina: Wir genießen es, das Phasencurriculum zu unterrichten und arbeiten kontinuierlich daran, ein Aufbaucurriculum zu schreiben und etwas zu unterrichten, das „Biodynamik in der Praxis“ genannt wird. In diesem Programm können fortgeschrittene biodynamische Studenten ihre Studien über die Curricula hinaus vertiefen. Wir übersetzen die Phasenhandbücher auch kontinuierlich, da wir bei der Durchsicht der Literatur von Dr. Still, Dr. Sutherland und Dr. Jealous festgestellt haben, dass die Übersetzungen oft nicht die Absicht des Autors wiedergeben.

Warum ist es die Biodynamik? Wie war euer Weg dorthin – vom Anfänger hin zum Ausbilder?

Jan: Mir ist es wichtig, vorab zu betonen, dass Biodynamik keine neue Form der Osteopathie oder eine spezielle Technik ist; nein, Biodynamik ist schlicht Osteopathie. Wir Osteopathen sagen oft, dass wir ganzheitlich arbeiten und Einfluss auf Körper, Geist und Seele nehmen. Durch die Biodynamik lernen und verstehen wir, dass es um diese Einheit geht, oder – wie Still es ausdrückt – um Matter, Mind, Motion. Dr. Jealous gab uns die Worte und das Tor, um diese Welten zu betreten. Die Osteopathie ist die Bewegung, der Ausdruck des Lebens im Gewebe. Die Biodynamik setzt beim Neutral an. In diesem können wir uns mit innewohnenden Bewegungen des Lebens in unseren Patienten synchronisieren, um diese Kräfte zur Heilung unserer Patienten freizusetzen.

Christina: Dr. Jealous war immer so unglaublich großzügig mit seiner Zeit und seiner Ausbildung. Er stand nicht nur als Lehrer zur Verfügung, sondern auch als Mentor für die schwierige Reise durch unsere Jahre im Krankenhaus. Ich brauchte zwischen 5 und 10 Jahre in der Praxis, nachdem ich bereits 8 Jahre während des Medizinstudiums und der Facharztausbildung bei Dr. Jealous verbracht hatte, um das Gefühl zu bekommen, dass ich die Gesundheit der Patienten verstehen und ihnen konsequent zuhören konnte. Ich begann mit vielen muskuloskelettalen Techniken und den Patienten ging es wirklich besser, aber wirklich zuzuhören, was ihr System brauchte, und es mit den Veränderungen zu synchronisieren, die es bereits vornahm, und zu sehen, zu fühlen, zu verstehen und zu wissen, erforderte viele Jahre der Ausbildung und Unterstützung von vielen wunderbaren Osteopathen.

Wie habt ihr euch kennengelernt und für dieses gemeinsame Projekt zusammengefunden und wie ist die gemeinsame Arbeit?

Christina: Wir gaben zunächst unabhängig voneinander die gleichen Phasenkurse – Jan in Deutschland und ich in den USA. Als wir dann gemeinsam unterrichteten, merkten wir bald, wie sehr wir die Osteopathie und einander liebten. Es war auch eine unglaubliche Lernerfahrung. Je mehr wir zusammenarbeiteten, desto klarer wurde uns, dass wir beide mit etwas verbunden sind, das viel größer ist als wir selbst, und dass uns diese Intelligenz als Team leitet und integriert.

Jan, wie ist es möglich, in Amerika als Osteopath zu arbeiten? Ist es anders als in Deutschland?

Jan: Mein deutscher Physiotherapie-Abschluss ist fast gleichwertig mit einem amerikanischen Abschluss, aber es war einfacher und schneller, dort in die praktische Tätigkeit zu gehen: Ich besuchte für 6 Monate eine amerikanische Schule für Massagetherapie. Die Schule erlaubte mir auch zu unterrichten, und mit einer amerikanischen Massagelizenz durfte ich Patienten berühren. So konnte ich dann mit Christina zusammenarbeiten. Da wir in einer medizinischen Osteopathie-Praxis arbeiten, sehen meine Frau und ich alle unsere neuen Patienten gemeinsam und können sowohl eine medizinische als auch eine osteopathische Diagnose stellen. Nach diesem ersten Besuch sind die Praxisbesuche ähnlich wie in Deutschland. Die Arbeit in einer medizinischen Praxis hat mich gelehrt, die funktionellen Reserven des Patienten einzuschätzen. Hat dieser Patient genug Zugang zu seiner Gesundheit, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, oder braucht es einen anderen Ansatz, weil sein Körper vielleicht so lange kompensiert hat? In den USA sind wir für die Patienten wie eine Hausarztpraxis. Als Heilpraktiker habe ich in Deutschland zwar auch eine Fürsorgepflicht, in der Vergangenheit habe ich mich allerdings gerne auf den Hausarzt und die Schulmedizin im Hintergrund verlassen.

Mir wurden in den USA die Augen geöffnet, dass ich als Osteopath in der Lage bin, mich mit der Kausalität zu befassen. Viele allopathische medizinische Ansätze sind ein Pflaster für das, was wirklich im Patienten vorgeht. Ein Beispiel: Ein 17-jähriges Mädchen kam mit der Diagnose POTS-Syndrom in die Praxis. Sie konnte keinen ganzen Tag in der Schule verbringen, ihr wurde schwindelig und übel, wenn sie zu lange stand, und sie litt in Ruhe unter einer Tachykardie. Bei der osteopathischen Untersuchung wurde festgestellt, dass ihr Ignition-System bzw. ihr metabolisches Feuer vollständig ausgeschaltet war und sie nur sehr wenig Fluid-Drive hatte, es gab also fast kein therapeutisches Potenzial. Wir konnten die Ursache auf eine Impfung zurückführen, die sie im Alter von 13 Jahren erhalten hatte. Wir unterstützten ihr System (Ernährungsumstellung und einige Nahrungsergänzungsmittel) und behandelten sie osteopathisch. Nach etwa 4 Behandlungen hatte sie genug therapeutischen Antrieb, um sich selbst zu regulieren, sie konnte wieder zur Schule gehen und war nicht mehr tachykard.

Was könnt ihr den Lesern noch Interessantes mitteilen, um etwas über euch zu erfahren?

Jan: Es ist so wunderbar, Teil einer weltweiten osteopathischen Familie zu sein. Wir haben mit Osteopathen auf der ganzen Welt zusammengearbeitet und wir alle tragen die Liebe zu unserem Erbe, unserem Beruf und der Hilfe für unsere Patienten in uns. Während der Pandemie haben wir erkannt, dass wir mehr Möglichkeiten brauchen, um zusammenzukommen und uns gegenseitig zu unterstützen. Wir haben ein kostenloses Online-Community-Forum – meetingplace.info – ins Leben gerufen, um biodynamischen Osteopathen anzubieten, Fragen zu stellen, Fallstudien von Patienten zu veröffentlichen und unsere Erfahrungen auszutauschen.

Dir, lieber Jürgen, danken wir für diese Gelegenheit, unser Leben und unsere Liebe zur Osteopathie mit den Lesern der DO zu teilen.



Publication History

Article published online:
26 June 2023

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